Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

112. Abschnitt. 
Friedens- und Kriegsbündnisse. Die internationale 
Schiedsgerichtsbarkeit. Die Idee des ewigen Friedens. 
Von 
Kronsyndikus Geb. Justizrat Dr. Philipp Zorn, M. d. H. H., 
0. Professor der Rechte an der Universität Bonn. 
  
I. Friedens- und Kriegsbündnisse. 
      
  
Literatur: 
Die Werke über Geschichte der neuesten Zeit, besonders Dietrich Schäfer, Weltgeschichte der Neuzeit, 
4. Aufl., 1910. 
Die Annalen der Weltgeschichte berichten von Bündnissen der Völker und Staaten, soweit 
die uns bekannte Geschichte der Menschheit zurückreicht. Es ıst tief ın den Verhältnissen der - 
menschlichen Gesellschaft begründet, dass die Staaten, die die einzelnen Völker für sıch geschaffen 
hatten, mit einander in Verbindung traten, um durch Vereinigung ıhrer Kräfte bestimmte Ziele 
zu erreichen, sei es dass diese Ziele einen dauernden Inhalt hatten, sei es dass sie auf dıe Erfüllung 
einer bestimmten einzelnen Aufgabe gerichtet waren. Wie auf der einen Seite der Gregensatz, so 
lag auf der anderen Seite die Verbindung der Staaten in der Natur der menschlichen Dinge be- 
gründet. Dies sind Binsenwahrheiten und so ist die Geschichte der Menschheit zugleich eine Ge- 
schichte wie des Gegensatzes so von Bündnissen der Staaten, sei es zu augenblicklichen krıege- 
rischen, sei es zu dauernden friedlichen Zwecken. — 
1. Der Beginn des 19. Jahrhunderts hat seine charakteristische Signatur durch den Zusammen- 
schluss der gesamten europäischen Staatenwelt gegen die nach 1807 und 1809 zu fast voller Wırk- 
lichkeit gelangte Weltherrschaft Napoleons I. Dieses europäische Bündniss gegen Frankreich 
erfüllte seinen Zweck durch Vernichtung der Macht Napoleons. Der Versuch, dieses Kriegsbündnis 
in der Form der Heiligen Allianz zu einem dauernden Friedensbündnis zu machen, so 
ideal er gedacht sein mochte, war von Anbeginn mit schweren Gebrechen behaftet. In Wirkich- 
keit diente die heilige Allianz nur reaktionären Zwecken und fand deshalb in allen beteiligten 
Staaten, insbesondere den deutschen, heftige Gegnerschaft. Dennoch gelang es der überlegenen 
Staatskunst des österreichischen Staatskanzlers Metternich, dies Bündnis bis zum Jahre 1848 als 
Grundlage der europäischen Staatenverhältnisse zu erhalten. England allerdings zog sıch schon 
sehr bald von dieser europäischen auf seine eigene Politik zurück und auch Russland ging ın den 
Fragen des Orients seine eigenen Wege, ohne sich im übrigen von der heiligen Allıanz und ıhrer 
Gesamtpolitik zu trennen. 
2. Nach dem Zusammenbruch dieses Systems durch die Ereignisse von 1848 ergab sıch eine 
neue Gestaltung der europäischen Staatenverhältnisse durch den mehr und mehr sich verschärfen- 
den inneren und äusseren Gegensatz der beiden Westmächte England und Frankreich 
gsegenRussland. Dieser Gegensatz fand schliesslich seinen kriegerischen Austrag ım Krım- 
krieg 1853—1856. Der innere Gegensatz war verursacht durch den Widerspruch der liberalen West- 
  
  
 
	        
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