Fritz Stier-Somilo, Die deutsche Arbeiterversicherung. 39
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zustande, auf Beschluss der Vorstandsmehrheit mit Zustimmung des Vorsitzenden des Versicherungs-
amts ausgesprochen werden; nach zehnjähriger Beschäftigung darf sie nur aus einem wichtigen
Grunde stattfinden. Die Vereinbarungen über das Kündigungsrecht der Kasse dürfen den Ange-
stellten nicht schlechter stellen, als er mangels einer Vereinbarung nach bürgerlichem Recht ge-
stellt sein würde. Kündigung oder Entlassung darf für Fälle nicht ausgeschlossen werden, in denen
ein wichtiger Grund vorliegt. (zeldstrafe darf nur bis zum Betrag eines einmonatigen Dienstein-
kommens vorgesehen werden ($ 354 Abs. 1—5). In Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnisse der
Angestellten, dıe der Dienstordnung unterstehen, entscheidet das Versicherungsamt (Beschluss-
ausschuss). Auf Beschwerde entscheidet das Oberversicherungsamt endgültig ($ 358 Abs. 1 Satz 1
und 2). Missbrauch des Amtes zu verhüten ıst die Vorschrift bestimmt, dass Angestellte, die ihre
dienstliche Stellung oder ihre Dienstgeschäfte zu einer religiösen oder politischen Betätigung
missbrauchen, der Vorsitzende des Vorstandes zu verwarnen und bei Wiederholung, nachdem
ihnen Gelegenheit zur Ausserung gegeben worden ıst, sofort zu entlassen hat; die Entlassung
bedarf der Genehmigung durch den Vorsitzenden des Versicherungsamts. Eine religiöse oder
politische Betätigung ausserhalb der Dienstgeschäfte und dıe Ausübung des Vereinigungsrechts
dürfen, soweit sie nicht gegen die Gesetze verstossen, nicht gehindert werden und gelten an sich
nicht als Gründe zur Kündigung oder Entlassung ($ 354 Abs. 6).
Auch die Organe der Kassen können auf falsche Wege geraten. Deshalb hat der Vorsitzende
Beschlüsse des Vorstandes oder Ausschusses, die gegen die Dienstordnung verstossen, durch Be-
schwerde an die Aufsichtsbehörde zu beanstanden; die Beschwerde bewirkt Aufschub. Macht der
Vorstand oder sein Vorsitzender, obgleich ein wichtiger Grund dafür vorliegt, gegen einen Ange-
stellten von seinem Kündigungs- oder Entlassungsrechte keinen Gebrauch, so kann ihn das Ver-
sicherungsamt dazu anhalten. Über die Anordnung entscheidet auf Beschwerde des Vorstandes
das Oberversicherungsamt (Beschlusskammer) endgültig. Läuft eine Bestimmung des Anstellungs-
vertrags der Dienstordnung zuwider, so ist sie nıchtig ($ 357). Da dıe Eigenschaft als Staatsbeamter
mit der Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie unvereinbar ist, gewinnt $ 359 besondere Bedeutung
auch ım Hinblick auf die Frage des Missbrauchs der Kassenverwaltung.
Der Vorstand einer Orts-, Land- oder Innungs-Krankenkasse kann mit Genehmigung
des Oberversicherungsamts Beamte auf Lebenszeit oder nach Landesrecht unwiderruflich oder
mit Anrecht auf Ruhegehalt anstellen. Für Orts-, Land- und Innungskrankenkassen mit mehr
als zehntausend Versicherten kann das Oberversicherungsamt nach Anhören des Kassen-
vorstandes anordnen, dass mindestens die Geschäftsleiter in dieser Weise angestellt werden.
Der Vorstand hat dagegen die Beschwerde an die oberste Verwaltungsbehörde. Den
Beamten, die in dieser Weise angestellt sind, kann die Landesregierung die Rechte und
Pflichten der staatlichen oder gemeindlichen Beamten übertragen ($ 359 Abs. 1—4). Einen
Widerwillen scheint man gegen Militäranwärter gehabt zu haben, denn nach $ 359 Abs. 6 darf
für Inhaber des Zivilversorgungsscheins (Militäranwärter) kein Vorrecht bei der Stellenbesetzung
vorgeschrieben werden. Beı den Betriebskrankenkassen bestellt der Arbeitgeber auf seine
Kosten und Verantwortung die für die Geschäfte erforderlichen Personen. Angestellten
der Betriebskrankenkassen, die Ihre dienstliche Stellung oder ihre Dienstgeschäfte zu einer reli-
gıösen oder politischen Betätigung missbrauchen, hat der Vorsitzende des Vorstandes zu verwarnen
und bei Wiederholung, nachdem ihnen Gelegenheit zur Äusserung gegeben worden ist, sofort zu
entlassen.
Der Gesetzgeber hat endlich die Einheitlichkeit der Rechtsprechung
gewährleistet. Jetzt entscheidet über alle Streitigkeiten erster Instanz in Krankenversicherungs-
sachen das Versicherungsamt, während nach bisherigem Recht eine bunte schwer übersehbare
Mannigfaltigkeit der Instanzen lähmend und verwirrend wirkte. Bald hatte die Aufsichtsbehörde
und zwar alleın, bald mit nachfolgender Anfechtung durch Klage im ordentlichen Rechtswege
eventl. nach Landesrecht im Verwaltungsstreitverfahren, bald nur das Verwaltungsgericht, das
Grewerbegericht usw. zu entscheiden gehabt. Der Mangel einer einheitlichen Stelle für Rechts-
streitigkeiten erster Instanz ist beseitigt.