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Georg von Schanz, Organisation des Arbeitsmarktes.
pflege. Und wir haben tatsächlich schon eine Reihe mustergiltiger Beispiele. Eng damit
verbunden ist die Frage des Gemeindegasthauses und der Gasthausreform.
Mit den ländlichen Festen und der Trachtenfrage sind wir aber schon mitten in dem Gebiet
der „Heimatpflege‘, zu der sıch, wie eingangs gesagt, die ländliche Wohlfahrtspflege sofort
erweitern musste, als sie von dem Nordosten nach dem Westen, von den Kreisen der Landarbeiter
in die bäuerlichen übergriff. Mit dieser Heimatpflege hängt aufs engste zusammen der „Heimat-
schutz‘ — diese Jüngste, so ausserordentlich rasch zu Ausbreitung und wachsender Bedeutung
gelangte Kulturbewegung, die an anderer Stelle behandelt ıst (s. Abschnitt 64, II).
Hier sei nur die Frage noch beantwortet: Ist diese Bewegung der Heimatpflege und des
Heimatschutzes, bei der es sich, wıe dort gezeigt, ım letzten Grund darum handelt, dem Kapita-
lismus Zügel anzulegen, ja auch die der ganzen ländlichen Wohlfahrtspflege, nicht ‚reaktionär‘“ und
„Tomantisch‘, dem Fortschritt feindlich und darum doch aussıchtslos? Die Frage liegt nahe, und
man muss, wenn man sie verneinen will, sich allerdings über Prinzipienfragen, und zwar so ziemlich
die wichtigsten unserer ganzen Volkswirtschaft und Kultur, klar werden. Es ist die Frage nach
derZukunft unserer Landwirtschaft gegenüber der Entwicklung des industriellen
Kapitalismus. Sie kann aus technischen, nationalen und soziologischen Gründen nur dahin be-
antwortet werden, dass Erhaltung der Landwirtschaft und besonders des Bauern-
standes, ja bedeutende Vermehrung des letzteren durch eine umfassende Kolonisation im
deutschen Nordosten, eine Notwendigkeit für unser Volk und unsere Volkswirt-
schaftist. Deutschland darf immer nur „Agrar“ - und ‚Industriestaat‘“ sein und bleiben, nie
reiner Industriestaat werden. Will man aber dıe Landwirtschaft und vor allem den Bauernstand
nicht nur erhalten, sondern vermehren, dann muss man ländliche Wohlfahrtspflege, Heimatpflege
und Heimatschutz wollen und treiben. Denn eben die soziale, richtiger soziologische Bedeutung
des Bauernstandes hat dieser nur, solange er wirklich ein besonderer Stand mit besonderer Eigen-
art bleibt. Er soll darum technisch nicht rückständig sein, er muss gewiss den landwırtschaftlichen
Mittel- und Kleinbetrieb ganz modern ausbilden, aber seine besondere Standesart muss er dabei
erhalten und mehren. Es handelt sıch also bei diesen Fragen wahrlich nıcht um romantische
Spielerei, sondern um die letzten und grössten Lebensfragen unserer Volkswirtschaft und unseres
Volkes. Noch immer ‚spriesst der Stamm der Riesen” — d.h. jetzt der Industrie, des Handels
und der Städte — ‚aus Bauernmark hervor‘.
«2. Abschnitt.
Organısation des Arbeitsmarktes.
Vom
Geheimen Rat Dr. Georg von Schanz,
Reichsrat der Krone Bayern, 0. ‚Professor der Staatswissenschaften an der Universität Würzburg.
Literatur:
G. Schanz, Art. Arbeitsnachweis im Wörterbuch der Volkswirtschaft 3. Aufl. Berlin 1911 IS. 211
bis 221, wo reiche Literaturangaben gemacht sind. Dazu kommt jetzt als wertvolle Publikation das in mehreren
Bänden jährlich erscheinende Bulletin trimestriel de l’association internationale pour la lutte contre le chömage,
Paris 1911, 1912, 1913.
Auf dem Arbeitsmarkt wollen sich alle diejenigen treffen, welche Arbeit anbieten und welche
solche bedürfen.