Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
Martin Weigert, Die liberalen Berufe im Allgemeinen. 85 
  
  
Berufsgruppen herauszugreifen und einen kurzen Hinweis auf die sozialpolitisch bedeutsamsten 
Seiten ihrer wirtschaftlichen und Berufsverhältnisse zu geben. Hierbei werden als zu den freien 
Berufen gehörig diejenigen Personenkreise gerechnet, dıe ausschliesslich oder vornehmlich von dem 
Ertrage ihrer geistigen oder künstlerischen Arbeit leben. Es zählen nicht hierzu diejenigen Kreise, 
welche infolge ihres Kapitalbesitzes und der Art ıhrer Betätigung als Unternehmer oder dem Cha- 
rakter ihrer Anstellung nach als öffentliche oder Privatbeamte angesprochen werden müssen. 
Was zunächst den Journalistenberuf anbelangt, so finden sich hier infolge des starken 
Zuganges von Personen aus den verschiedensten Karrieren und mitder verschiedensten Vorbildung ein 
grosser Prozentsatz vorwiegend jugendlicher Elemente und nicht fest angestellter Reporter, die sich 
sehr notdürftig durchschlagen müssen, bis sie zu einem ausreichenden Einkommen, zu einer etats- 
mässigen Anstellung kommen. Es ist jedoch durchaus keine Seltenheit, dass junge Journalisten und 
Redakteure, diein Jahren, wo ihre Studiengenossen noch Probekandidaten oder unbesoldete Assessoren 
sind, bereits über ein Einkommen von 4000 Mark und mehr verfügen. Insbesondere finden Journa- 
listen, die auf diesen Namen einen vollberechtigten Anspruch erhalten können und die sich auf 
politischem, volkswirtschaftlichem oder feuilletonistischem Gebiet bewähren, heute ot lohnenden 
Absatz ıhrer Arbeiten. Korrespondenten für grosse politische Blätter in den Hauptstädten werden 
in der Regel über ein Einkommen von 10000 bıs 20000 Mark verfügen. Wenn man von ganz 
kleinen Organen absıeht, wırd als das regelmässige Minimum für einen fest angestellten Redakteur 
wohl ein Gehalt von 3000 Mark zu betrachten sein; tüchtige Redakteure werden es im Laufe der 
Zeit unschwer zu Gehältern von 7 500-—10 000 Mark, in leitender Stelle auch wohl bıs zu 12 000 Mk. 
und mehr bringen. So ungünstig, wie man gewöhnlich glaubt, steht es auch mit den Pensions- 
verhältnissen nicht. Eine Anzahl grosser Blätter hat ım Anschluss an die für öffentliche Beamte be- 
stehenden Grundsätze, auch für ıhre Redakteure Pensionsberechtigung allgemein eingeführt, bei 
anderen bestehen mit den alten Mitgliedern der Redaktion besondere Abmachungen. Vielfach be- 
dıent man sıch hierbei der Form der Lebensversicherung, der Rentenversicherung oder der Ver- 
mittelung einer der bestehenden Pensionsanstalten. — 
Über die Lage der freien Schriftsteller resp. über ihre Einkommensverhältnisse können 
naturgemäss Zahlen nicht angegeben werden, da hierfür das persönliche Moment, insbe- 
sondere das Talent, dıe geistige Produktivität, die von den schriftstellerischen Qualitäten abhängige 
Beliebtheit bei dem lesenden Publikum von ausschlaggebendem Einflusse sind. Jedenfalls leiden 
aber auch die Schriftsteller z. T. empfindlich unter dem starken Überangebot, welches sich auf dem 
literarıschen Markt seit Jahren fühlbar macht. — Die Schriftsteller und Journalisten haben sich 
ın verschiedenen bedeutenden Berufsvereinen, so ın dem ‚Deutschen Schriftstellerverband‘“, 
ın dem 18 Untervereine umfassenden ‚‚Verband Deutscher Journalisten- und Schriftstellervereine‘ 
(München), ım ‚Allgemeinen Schriftstellerverein“, ım ‚Verein Deutscher Redakteure‘, ım ‚Verein 
Berliner Presse etc. zusammengeschlossen. Diese Vereine haben sich mit wichtigen Fragen des 
Urheberrechtes, des Pressrechtes und Pressstrafrechtes befasst, haben sich für Aufhebung der 
Theaterzensur ausgesprochen, suchen Streitigkeiten der Mitglieder untereinander zu schlichten, 
Normen für dıe Wahrung der Standesehre und für allgemeine Standesfragen aufzustellen. Sie 
sind für die Einrichtung von Pressekammern nach dem Vorbilde der Ärzte- und Anwaltskammern 
eingetreten, haben Schiedsgerichte, Rechtsauskunftsstellen, Arbeitsnachweise, sowie Unterstützungs- 
und Pensionskassen aller Art ins Leben gerufen. 
Über die Einkommenverhältnisse, die soziale und rechtliche Stellung der Schauspieler 
sind ımJahre 1910 von Gustav Rickelt hochinteressante Untersuchungen veröffentlicht worden. 
Das Bild, welches da von den Betriebsarten und den Verhältnissen entworfen wird, unter denen die 
überwiegende Mehrzahl der Schauspieler und Schauspielerinnen ihre Kunst ausüben müssen, ist 
ein wenig erfreuliches, ja mitunter sogar ein recht trostloses. Rickelt zählt in Deutschland 30 Hof-, 
Stadt- und Privattheater mit ganzjähriger Spielzeit, 320 Wintertheater, 150 Sommertheater und 120 
reisende Gesellschaften, an denen insgesamt 16000 darstellende Künstler (Schauspieler, Schau- 
spielerinnen, Sänger, Sängerinnen, Choristen und Balletpersonal) beschäftigt sind. Nur an den erst- 
genannten „grösseren Theatern“ sind ca. 1200 Schauspieler tätig, die ein volles Jahreseinkommen ın 
Höhe von 2000 bis 20 000 Mark je nach Stellung und künstlerischer Qualität beziehen. Hierzu 
  
  
  
  
  
  
 
	        
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