Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

194 III. Strafgesetzbuch. — Zweiter Teil. 
§ 181 a ist der sog. Zuhälterparagraph. Ausbeutung ist 
bewußte Ausnutzung. Lebensunterhalt umfaßt die Mittel zu den not- 
wendigen und nicht notwendigen Ausgaben für das tägliche Leben, z. B. wenn 
die Dirne fortgesetzt die Zechen für den Zuhälter beim Besuche von Lokalen 
bestreitet. 
Verführung einer Unbescholtenen unter 16 Jahren. 
§ 182. (L.) Wer ein unbescholtenes Mädchen, welches das sechzehnte 
Lebensjahr nicht vollendet hat, zum Beischlafe verführt, wird mit Gefängnis 
bis zu einem Jahre bestraft. 
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern oder des Vormundes 
der Verführten ein. 
Unbescholten ist das Mädchen, das sich in geschlechtlicher Beziehung 
nichts hat zu schulden kommen lassen. Das Mädchen kann unfreiwillig schon 
den Beischlaf erduldet haben. Das Mädchen kann auch im Laufe der oft 
längere Zeit dauernden Verführung schon durch den Verführer sittlich ver- 
dorben worden sein; sie bleibt im Sinne des Gesetzes für den Verführer noch 
unbescholten. Verführer ist, wer den Willen des Mädchens sich zur ge- 
schlechtlichen Befriedigung dienstbar gemacht hat. Der Beischlaf (nur Ver- 
einigung der Geschlechtsteile ohne Entjungferung und Samenerguß) muß voll- 
zogen sein. Strafantrag kann Vater oder Mutter stellen. 
Oeffentliches Aergernis durch unzüchtige Handlung. 
§ 183. (L. bez. A.) Wer durch eine unzüchtige Handlung öffentlich 
ein Aergernis gibt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geld- 
strafe bis zu fünfhundert Mark bestraft. 
Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte 
erkannt werden. 
Unzüchtige Handlung ist eine solche, welche gegen Scham 
und Sitte in geschlechtlicher Beziehung verstößt; auf Befriedigung der Ge- 
schlechtslust braucht sie nicht gerichtet zu sein. Entblößung der Geschlechts- 
teile lediglich zum Urinieren ist unzüchtige Handlung nicht, wohl aber, wenn 
neben dem Urinieren die Entblößung gesondert — aus Lüsternheit oder Ueber- 
mut — gewollt wird. Auch eine unzüchtige Aeußerung und Singen un- 
züchtiger Lieder sind unzüchtige Handlung. Es muß durch die unzüchtige 
Handlung ein Aergernis gegeben worden sein, d. h. mindestens eine Person 
muß sittlichen Anstoß genommen haben. Das Aergernis muß öffentlich 
gegeben, d. h. die unzüchtige Handlung so vorgenommen werden, daß jeder 
hinzukommende Dritte sie wahrnehmen kann, z. B. auf der Straße, am offenen 
Fenster nach der Straße zu, in einem Hofe mit Fenstern anliegender Häuser, 
in einem öffentlichen Lokale.
	        
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