Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

Einzelne Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung. 243 
selben unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter ähn— 
lichen Versicherungen oder Beteuerungen die Zahlung einer Geldsumme oder 
die Erfüllung einer anderen, auf Gewährung geldwerter Sachen gerichteten 
Verpflichtung aus einem Rechtsgeschäfte versprechen läßt, wird mit Gefängnis 
bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft. 
Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte 
erkannt werden. 
Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher sich eine Forderung, von der 
er weiß, daß deren Berichtigung ein Minderjähriger in der vorbezeichneten 
Weise versprochen hat, abtreten läßt. 
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 
Siehe die Anmerkungen zu § 301. Sich versprechen lassen, 
d. h. auch entgegen= und annehmen. 
Wucher. 
§ 302a. (L.) Wer unter Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinns oder 
der Unerfahrenheit eines anderen mit bezug auf ein Darlehn oder auf die 
Stundung einer Geldforderung oder auf ein anderes zweiseitiges Rechtsgeschäft, 
welches denselben wirtschaftlichen Zwecken dienen soll, sich oder einem Dritten 
Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, welche den üblichen Zinsfuß 
dergestalt überschreiten, daß nach den Umständen des Falles die Vermögens- 
vorteile in auffälligem Mißverhältnis zu der Leistung stehen, wird wegen 
Wuchers mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und zugleich mit Geldstrafe 
bis zu dreitausend Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen 
Ehrenrechte erkannt werden. 
Ausbeutung ist die bewußte Ausnutzung. Notlage ist eine 
augenblicklich zur Aufwendung von Geldmitteln drängende Vermögenslage, 
auch wenn sie nur vorübergehend ist; der Wucherer muß diese Notlage kennen. 
Wegen Leichtsinn und Unerfahrenheit s. § 301. Opfer des Wucherers 
ist nicht nur eine minderjährige, sondern jede andere Person. Mit bezug 
auf ein Darlehn usw., d. h. im näheren Zusammenhange mit dem Darlehn 
usw., so daß Darlehn und vom Bewucherten gewährter Vermögensvorteil als 
gegenseitige Leistungen erscheinen. Ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, 
welches denselben wirtschaftlichen Zwecken wie ein Darlehn 
dienen soll, liegt z. B. vor, wenn dem Bewucherten eine Forderung weit 
unter dem Werte abgekauft wird, die er erst durch Verkauf von Mobilien oder 
Grundstücksparzellen an einen Dritten sich verschaffen muß; auch Rückkaufs- 
geschäfte gehören hierher. Der übliche Zinsfuß ist nicht der gesetzliche 
oder immer der Zinsfuß der Pfandleiher, sondern der am Orte nach den 
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