Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

II. Strafprozeßordnung. — Zweites Buch. — 2. Abschnitt. 75 
2. Abschnitt. 
Vorbereitung der öffentlichen Klage. 
Anzeige strafbarer Handlungen. Strafantrag. 
§ 156. Anzeigen strafbarer Handlungen oder Anträge auf Strafver- 
folgung können bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des 
Polizei= und Sicherheitsdienstes und den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich 
angebracht werden. Die mündliche Anzeige ist zu beurkunden. 
Bei strafbaren Handlungen, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, 
muß der Antrag bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder 
zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden. 
Eine Form, insbesondere die protokollarische, ist für die Beurkundung 
der mündlichen Anzeige nicht vorgeschrieben; es genügt Berichtsform ohne 
Vorlesung und ohne Unterschrift des Anzeigeerstatters. Der bei der Polizei 
gestellte Strafantrag muß stets vom Antragsteller unterschrieben sein, während 
dieser den sonstigen Wortlaut des Strafantrags nicht selbst zu schreiben braucht. 
Statt der Unterschrift genügt event. Unterkreuzung, Stempelung. 
§ 157. Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß jemand eines nicht 
natürlichen Todes gestorben ist, oder wird der Leichnam eines Unbekannten 
gefunden, so sind die Polizei= und Gemeindebehörden zur sofortigen Anzeige 
an die Staatsanwaltschaft oder an den Amtsrichter verpflichtet. 
Die Beerdigung darf nur auf Grund einer schriftlichen Genehmigung 
der Staatsanwaltschaft oder des Amtsrichters erfolgen. 
Vorbereitungsverfahren. 
§ 158. Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf 
anderem Wege von dem Verdacht einer strafbaren Handlung Kenntnis erhält, 
hat sie behufs ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben 
sei, den Sachverhalt zu erforschen. 
Die Staatsanwaltschaft hat nicht bloß die zur Belastung, sondern auch 
die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung 
derjenigen Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen steht. 
Die Staatsanwaltschaft ist durch das sogenannte Legalitätsprinzip ver- 
pflichtet, alle ihr bekannt gewordenen Straftaten zu verfolgen und deshalb 
auch jeden verdächtigen Sachverhalt zu erforschen. 
§ 159. Zu dem im vorstehenden Paragraphen bezeichneten Zwecke kann 
die Staatsanwaltschaft von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und
	        
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