Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Brandstiftung. — Mord bezw. Totschlag. 371 
durch Affekte, welche plötzlich und heftig auftreten: Haß, Liebe, Rache, Zorn, Eifer- 
sucht, Wut, Furcht, Scham, Bestürzung. Außer diesen plötzlichen und heftigen 
Affekten können auch noch sogenannte deprimierende Affekte die Ueberlegung aus- 
schließen, vor allem hoher Grad von Verzweiflung, z. B. eines Liebenden, eines 
mittellosen Familienvaters. Endlich kann auch eine verminderte moralische und 
geistige Zurechnungsfähigkeit die Ueberlegung aufheben. Ueberlegung ist vorhanden, 
wenn beim Täter bei der Ausführung „diejenige ruhige Verstandestätigkeit obwaltet, 
welche nicht nur auf das Verhältnis der für die Tötung anzuwendenden Mittel zum 
Erfolge, die Art ihres zweckmäßigen Gebrauches und die Beseitigung der entgegen- 
stehenden Hindernisse, sondern namentlich auch über die Tat hinaus auf die Folgen 
und Zwecke der Ausführung sich richtet“ (Olshausen, Kommentar). Es kann also 
jemand die Vorbereitungshandlungen mit Ueberlegung treffen und die Tötung doch 
ohne Ueberlegung ausführen (vergl. die Anmerkungen § 211, 212 des Str.G.Bse.). 
Darauf, ob Mord oder Totschlag vorliegt, hat der Kriminalbeamte bei seinen 
Ermittelungen von Anfang an mit Bedacht zu nehmen; d. h. er hat diejenigen Um- 
stände, welche für das Vorhandensein oder das Fehlen der Ueberlegung bei 
der Ausführung der Tat sprechen, zu erörtern und hervorzuheben. Insbesondere 
kommt hierbei die Klarstellung in Betracht, welches Motiv den Täter bestimmt, in 
welcher Beziehung er vor der Tat zum Getöteten gestanden, welche Vorbereitungen 
er getroffen, wo, wann und mit welchen Mitteln er die Tat vollführt und wie er 
sich nachher verhalten hat. 
Die polizeilichen Erörterungen eines Mordes erheischen, zumal wenn der 
Mörder noch nicht bekannt ist oder gar von ihm jede Spur fehlt, die größte Plan- 
mäßigkeit, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit im Vorgehen. Es ist unbedingt nötig, 
daß sich jedes selbständig einschreitende Polizeiorgan ein für allemal darüber klar ist, 
was es im Falle eines Mordes zu tun hat. Bei größeren Polizeibehörden muß 
die sofortige Verteilung der den einzelnen Beamten zufallenden Aufgaben und deren 
sofortige Inangriffnahme ein= für allemal vorbereitet sein, z. B. welche Beamte sich 
an den Tatort zu begeben, welche die Bahnhöfe, die öffentlichen Lokale und die 
Straßen nach verdächtigen Individuen zu beobachten haben usw. Aber auch der 
einzeln stationierte Gendarm muß wissen, was er zu tun und zu unterlassen hat, 
wenn ihm ein Mord gemeldet wird. 
Bei der Aufnahme der Erörterungen ist zweierlei von größter Wichtigkeit. 
Die Besichtigung, Durch= oder Absuchung des Tatortes sowie die Aufrechterhaltung 
und Sicherung des vorgefundenen Zustandes am Tatorte, wenn irgendwie der Befund 
für die Beurteilung der Ausführung der Tat oder die Ermittelung der Spuren nach 
dem unbekannten Mörder von Wichtigkeit sein können. Gleichzeitig sind sofort 
Erörterungen zur Ergreifung des Mörders bezw. zur Ermittelung von dessen Per- 
sönlichkeit einzuleiten. Wegen dieser unbedingt von anfang an einzuschlagenden 
doppelten Richtung der Erörterungen ist klar, daß mehrere Beamte zur Verfügung 
stehen müssen. Auf dem Lande müssen sich deshalb der Gemeindevorstand, die 
Gemeindeschutzleute und die Gendarmen zu gemeinsamem Wirken verbinden. 
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