Full text: Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche.

8 Einleitung; Wirtschaft. § 2. 
nisse, sowie die Benutzung örtlicher Vorteile und bewirkt eine erhebliche 
Ersparnis an Zeit und Mühe. Die Verwendung von Maschinen und die 
Arbeitsteilung setzen einen durch größeren Absatz ermöglichten, umfang- 
reichen Betrieb und eine entsprechende Kapitalverwendung voraus. Nach- 
dem diese Bedingungen gegeben waren, haben sie die Gütererzeugung 
mächtig gefördert, zugleich aber dem Großbetriebe eine beherrschende Stel- 
lung verschafft. — Das Einkommen aus der Arbeit heißt Lohn (bei Be- 
amten Gehalt, bei den s. g. freien Berufen Honorar). Der Lohn wird in 
Naturalien oder in Geld, ferner nach der Zeit (Zeitlohn), nach der 
Leistung (Stücklohn, Akkord), oder nach dem Ertrage (Gewinnanteil) ge- 
währt. Seine Höhe bestimmt sich durch Nachfrage und Angebot und be- 
wegt sich zwischen den Erhaltungskosten des Arbeiters und dem Werte, 
den die Arbeit für den Arbeitgeber hat.s) — Die Arbeiterfrage, die 
sich mit den Lebensverhältnissen der Arbeiter befaßt, hat mit der Zunahme 
des Großbetriebes eine immer wachsende Bedeutung gewonnen. Die Ar- 
beiter haben die Besserung ihrer Lage insbesondere die Erhöhung der 
Löhne vielfach durch Vereinigungen selbst zu erreichen gesucht.o) Auch 
der Staat hat der Frage jetzt eine erhöhte Beachtung zugewendet (8§ 310 
und 313), während die Sozialdemokratie die Möglichkeit einer Besserung 
„) § 3 Anm. 5 d. W. Tarifver- 
träge zwischen Arbeitgeberverbänden und 
Gewerkschaften sollen allgemeine Grund- 
lagen für die abzuschließenden einzelnen 
Arbeitsverträge schaffen. Abweichende 
Verabredungen werden dadurch nicht aus- 
geschlossen. Die Tarifverträge enthalten 
jedoch in der Regel Vorschriften über die 
Durchführung (Schiedsgerichte, Vertrags- 
strafen usw.), auf Grund deren, wenn 
eine Partei den Vertrag bricht, die andere 
den Anspruch auf Erfüllung oder Schaden- 
ersatz geltend machen kann. — Lotmar, 
der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht 
des deutsch. R. 2 Bde. (Leipz. O02/08), Sigel 
desgl. (Stuttg. 03), Bail, Rechtsverh. der 
Arbeitgeber u. Arbeitnehmer in Handwerk, 
Industrie u. Handel (2. Aufl. Berl. 12). 
Wöbling, Akkordvertrag u. Tarifvertrag 
(Berl. 08). Fortbezug der Vergütung bei 
vorüberg. Verhinderung BG. J 616; 
Ausf. im Bereich der allg. Staatsverw. Af. 
5. Nov. O4 (M. 273). Bezogene Zeugen- 
u. Sachverständigengebühren sind von der 
Vergütung abzuziehen Vf. 29. Juni 05 
(MB. 110). — Lohnansprüche verjähren 
in 2 Jahren BGB. 8 1965. 
9) Die erste Anregung gab der schot- 
tische Fabrikant Owen (1771—1858). — 
Die erste der in England zur korpora- 
tiven Selbsthilfe gegründeten Genossen= # 
  
schaften waren die Pioniere von Roch- 
dale (1844), ein von Flanellwebern ge- 
gründeter Konsumverein, der später zu 
umfangreichen Grunderwerbungen u. Fa- 
brikanlagen übergegangen ist. — In den 
Gewerkvereinen (trades unions) suchen 
die einzelnen Gewerke durch einheitliches, 
planmäßiges Vorgehen gegenüber den 
Arbeitgebern, insbes. auch durch Arbeits- 
einstellungen (Ausstände, strikes) ihre 
Interessen geltend zu machen. — In 
Deutschland wurden nach Einführung 
der Koalitionsfreiheit (§ 315 Abs. 2 
d. W.) diese Bestrebungen alsbald den 
politischen Parteibestrebungen dienstbar 
gemacht. Sie erzielten deshalb hier ge- 
ringere Erfolge auf wirtschaftlichem Ge- 
biete als in England. Es gilt dieses 
von den Schultze-Delitzschschen Gewerk- 
vereinen, die an der Gemeinschaft von 
Kapital u. Arbeit festhielten u. darauf die 
genossenschaftliche Selbsthilfe aufbauten; 
es gilt aber in noch höherem Maße von 
den zentralisierten Gewerkschaften und den 
örtlich gestalteten Fachvereinen der So- 
zialdemokratie, welche die Gewerkschafts- 
bewegung, insbesondere auch die Ausstände, 
nicht zu wirtschaftlicher Hebung, sondern 
als Aufreizungsmittel im Klassenkampfe 
gegen das Kapital zu verwenden suchen.
	        
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