Full text: Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche.

18 Das Deutsche Reich; Geschichte. 8 6. 
setzgebende Befugnisse beigelegt wurden. An der Spitze sollte ein erblicher 
Kaiser und ihm zur Seite ein in ein Staaten= und ein Volkshaus gegliederter 
Reichstag stehen. Die Mitglieder des Staatenhauses sollten zur Hälfte von 
den Regierungen, zur Hälfte von den Vertretungen der Einzelstaaten er- 
nannt werden, die Mitglieder des Volkshauses dagegen aus allgemeinen 
direkten Wahlen hervorgehen. Der König von Preußen lehnte jedoch wegen 
der mangelnden Zustimmung aller Regierungen die ihm angebotene Kaiser- 
krone ab. Hierauf legte der Reichsverweser seine Würde nieder, die Natio- 
nalversammlung verfiel der Auflösung und der Bundestag trat am 2. Sep- 
tember 1850 wieder in Tätigkeit. 
Die Ohnmacht des Bundes dem Auslande gegenüber wich erst einem 
kräftigeren Vorgehen, als die beiden deutschen Großmächte sich zur Lösung 
der endlos verschleppten schleswig-holsteinischen Frage miteinander verbanden 
(1864). Aber mit dem Vorgehen war auch die Gemeinschaft gewichen. Das 
weiß-schwarz-gelbe Band der Waffenbrüderschaft, an das einzelne patriotische 
Hoffnungen sich geknüpft hatten, zerriß, sobald die beiden Mächte gemeinsam 
an die Einrichtung der eroberten Lande herantraten. Es kam zum neuen 
Kriege zwischen den bisherigen Verbündeten (1866) und dieser hatte das 
Zurücktreten Osterreichs von den weiteren Gestaltungen in Deutschland 
zur Folge.) 
86. 
3. Damit war die Bahn für Deutschlands weitere politische Ent— 
wickelung frei geworden. Der geschlossene Frieden wurde der Ausgangs- 
punkt für das neue Deutsche Reich. Der deutsche Bund löste sich auf, 
und das durch Einverleibung eroberter Länder) wesentlich verstärkte 
Preußen vereinbarte mit den übrigen 21 norddeutschen Staaten eine Ver- 
fassung, die nach Annahme durch den zu diesem Zweck einberufenen Reichs- 
tag als Verfassung des norddeutschen Bundes veröffentlicht wurde.2) 
Mit den süddeutschen Staaten (Bayern, Württemberg, Baden 
und Südhessen) schloß der norddeutsche Bund neben einem Zollvereinigungs- 
vertrages) auch Schutz= und Trutzbündnisse, in denen die Beteiligten im 
Kriegsfalle ihre volle Heeresmacht unter dem Oberbefehle des Königs von 
Preußen zur Verfügung stellten.“) 
Schon nach wenigen Jahren sollten diese Bündnisse im Kriege mit 
Frankreich (1870) nicht nur ihre Feuerprobe bestehen; die Vereinigung 
5) Prager Frieden 23. Aug. 66. — 2) Publ. 26. Juli 67 (BG#l. 1). 
Leiter der preußischen Politik war der 3) Vertr. 8. Juli 67 (Bel. 81). 
Ministerpräsident von Bismarck, geb. Durch diesen wurden ähnlich der Ein- 
1815, seit 1871 Fürst, mit Entstehung richtung des norddeutschen Bundes ein 
des norddeutschen Bundes und deutschen Zollbundesrat, ein Zollpräsidium u. ein 
Reichs erster Bundes= und Reichskanzler Hollparlament eingeführt. 
bis 1890, gest. 1898. 4) Der Abschluß erfolgte gleichzeitig 
mit den Friedensverträgen (1866). 
1) § 29 Absl.7 
 
	        
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