Das Deutsche Reich; Verfassung. § 14. 27
5. Reichsgesetzgebung.
§ 14.
Für das Zustandekommen der Reichsgesetze sind übereinstimmende
Mehrheitsbeschlüsse des Bundesrates und des Reichstags erforderlich und
ausreichend. 1) Hierbei gelten für die Beschlußfassung im Bundesrate
folgende Maßgaben:
1. In Angelegenheiten des Militärwesens, der Kriegsmarine, der Zölle und
Verbrauchsteuern gibt bei Meinungsverschiedenheiten die Stimme
Preußens insoweit den Ausschlag, als sie sich für Aufrechterhaltung der
bestehenden Einrichtungen ausspricht;
2. Verfassungsänderungen gelten als abgelehnt, wenn sie 14 Stimmen gegen
sich haben;)
3. Verfassungsvorschriften, welche bestimmte Rechte einzelner Bundesstaaten
in ihrem Verhältnis zur Gesamtheit feststellen, können nur mit deren
Zustimmung abgeändert werden;)
4. Bei Beschlußfassung über eine Angelegenheit, die nicht dem ganzen
Reiche gemeinschaftlich ist, werden im Bundesrat nur die Stimmen der
beteiligten Bundesstaaten gezählt.)
Die Reichsgesetze gehen den Landesgesetzen vor..) Bestehende Landes-
gesetze treten, insoweit sie mit erlassenen Reichsgesetzen unvereinbar sind,
außer Kraft: Reichsrecht bricht Landesrecht.
Neben den Reichsgesetzen können Reichsverordnungen erlassen
werden. Der Unterschied zwischen beiden liegt in der Form der Entstehung
(§ 1 Abs. 5). Die Verordnung bedarf keiner Zustimmung des Reichstags,
kann vielmehr von dem Bundesrat und von dem Kaiser innerhalb ihrer
Zuständigkeit selbständig erlassen werden.)
Die Reichsgesetze erlangen ihre verbindende Kraft erst durch die Ver-
kündigung (Publikation) im Reichsgesetzblatt und zwar mit dem
14ten Tage nach dem Erscheinen des betreffenden Stückes in Berlin.-)
Für die Konsulargerichtsbezirke währt diese Frist in Europa, Agyplen und
1) Verf. Art. 5 Abs. 1, Art. 69 u. 73.
— Das Vorschlagsrecht (Initiative) steht
dem Bundesrat wie dem Reichstage zu
Art. 71 u. 23. Verb. § 37 Abs. 2 d. W.
— Bedeutung der Gesetzgebung § 1 Abfs.
5 d. W.; Gesetzesform für Verträge § 85
Abs. 3, für Reichshaushalts-Voranschläge
§ 174 Abs. 3.
2) Verf. Art. 5 Absf. 2.
3) Das. Art. 78 Abs. 1.
4) Verf. Art. 78 Abs. 2. — Zu diesen
Rechten gehören die § 13 Abs. 21 er-
wähnten Sonderrechte.
5) Das. Art. 7 Abs. 4; die gleiche Vor-
schrift für den Reichstag (Art. 28 Abs. 2)
ist aufgehoben G. 24. Feb. 73 (RGB. 45),
weil sie mit der Eigenschaft der Mitglieder
als Vertreter des ganzen Volkes (Art. 29)
nicht vereinbar erschien.
6) Verf. Art. 2. Die allgemeinen gehen
somit den besonderen Gesetzen vor.
7) Das. Art. 72, 50, 53 u. 63. —
Einstweilige Verordnungen mit Gesetzes-
kraft, wie sie für Preußen (8 37 Abs. 32
d. W.) und Els.-Lothringen (8 26 Abs. 2)
vorgesehen sind, kennt die RVerf. nicht. —
Arndt, das Verordnungsrecht des D.
Reichs (Berl. u. Leipz. 84).
8) Das. Art. 2 u. V. 26. Juli 67
(BeBl. 24).