Das Deutsche Reich; Verfassung. § 16. 29
Die Berufung geschieht durch den Kaiser; sie muß mindestens einmal
im Jahre und jedenfalls dann erfolgen, wenn der Reichstag zusammen-
tritt oder ein Drittel der Stimmen sie verlangt.)
Den Vorsitz führt der vom Kaiser ernannte Reichskanzler oder dessen
Stellvertreter. Der Kanzler kann sich durch jedes andere Bundesratsmit-
glied vermöge schriftlicher Einsetzung vertreten lassen.“)
Der Bundesrat bildet aus seiner Mitte dauernde Ausschüsse und
zwar 1. für auswärtige Angelegenheiten, 2. für Landheer und Festungen,
3. für Seewesen (Marine), 4. für Zoll= und Steuerwesen, 5. für Handel
und Verkehr, 6. für Eisenbahnen, Post und Telegraphen, 7. für Justiz-
wesen und 8. für Rechnungswesen.5) — Besondere Ausschüsse sind außerdem
für Elsaß-Lothringen, für die Verfassung, für die Geschäftsordnung und
für das Eisenbahngütertarifwesen bestellt.
7. Der Kaiser.
§ 16.
Dem jedesmaligen König von Preußen stehen mit dem Präsidium des
Bundes (8 7) bestimmte Rechte zu. Er führt den Namen „Deutscher
Kaiser'““), das kaiserliche Wappen und die kaiserliche Standarte.)
Neben diesen Ehrenrechten sind dem Kaiser bestimmte Regierungs-
und Verwaltungsbefugnisse übertragen, insbesondere die völkerrecht-
liche Vertretung des Reichs, die Kriegserklärung, die, soweit nicht ein An-
griff auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt, die Zustimmung
des Bundesrats erfordert, und die Friedensschließung,) die Berufung und
Schließung des Bundesrats und des Reichstags,) die Verkündigung der
RG. 225 Art. I u. II 92 Abs. 3. —
Die Stimmenverteilung schließt sich mit
einigen Abweichungen der des früheren
Bundestags (§5 Abs. 1 d. W.) an. Die
Mitglieder haben strafrechtlichen Schutz
StGB. § 106 u. 339 Abs. 3 und diplo-
matischen Schutz Verf. Art. 10; die nicht-
preußischen sind demgemäß der preußischen
Gerichtsbarkeit u. Besteuerung nicht unter-
worfen § 87 Anm. 7 d. W. Vernehmung
als Zeugen oder Sachverständige ZPO.
§ 382, 402, St#O § 49, 72.
3) Verf. Art. 12—14. — GeschäftsO.
26. April 80.
4) Verf. Art. 15 u. G. 17. März 78
(Rö.7) 84. Bei Verhinderung Preußens
führt Bayern den Vorsitz, Schlußprot.
(§ 6 Anm. 5 d. W.) Nr. IX.
5) Verf. Art. 8.
6) Das. Art. 11. — Volljährigkeit,
Erbfolge, Regentschaft u. Stellvertretung
bestimmen sich deshalb nach preußischem
Recht (8 39 Abs. 1 u. 6 d. W.). — Ver-
brechen wider den Kaiser werden ebenso
wie die wider den Landesherrn begange-
nen bestraft St G. § 80, 94 u. 95. Zu-
ständigkeit des Reichsgerichts § 185 d. W.
— Der jedesmalige Thronfolger führt den
Titel „Kronprinz des Deutschen Reiches“
und „Kaiserliche Hoheit“ A. E. 18. Jan.71
(M. 2). — § 18 Anm. 1. — Der
Kaiser bezieht aus Reichsmitteln keine
Entschädigung, verfügt aber für Reichs-
zwecke über einen Dispositionsfonds.
7) AE. 3. Aug. 71 (REB. 318 u.
458) Nr. 2 u. 3. — Verwendung des
Wappens zur Warenbezeichnung § 370
Abs. 5 d. W. — Unbefugter Gebrauch
StGB. 8 3607.
8) Verf. Art. 11 u. 56; Anordnung
der Kriegsbereitschaft Art. 63 Abs. 4, des
Kriegszustandes Art. 68. — Vertrags-
schlüsse § 85 Abs. 3 d. W., Erklärung des
Belagerungszustandes § 245 Abs. 6, u. Ein-
führung zeitweiliger Paßpflicht § 248 d. W.
9) Verf. Art. 12; Auflösung und Ver-
tagung § 17 Abs. 3 d. W.