Das Deutsche Reich; Verfassung. 817. 31
destens einem Jahre angehört haben.s) Beamte bedürfen zum Eintritt
in den Reichstag keines Urlaubs, gehen jedoch der Mitgliedschaft beim
Eintritt in ein mit höherem Range oder Gehalte verbundenes Amt ver—
lustig.;) — Jeder Abgeordnete wird in einem besonderen Wahlkreise ge-
wählt. Die Wahlkreise sind unter Zugrundelegung einer Durchschnitts-
bevölkerung von 100 000 Einwohnern abgegrenzt. Ihre Zahl beträgt
397.8) — Behufs Ausführung der Wahlen werden die Wahlkreise in
Wahlbezirke zerlegt und Wahlvorstände für diese gebildet..) Die Wahl
ist öffentlich und erfolgt im ganzen Reiche an einem vom Kaiser zu
bestimmenden Tage. 10) Die Wähler, deren Berechtigung zuvor durch
öffentliche Auslegung der Wählerlisten festzustellen ist, 11) wählen durch
Abgabe verdeckter Stimmzettel, die von bestimmter Größe und Beschaffen-
heit sein und unbeobachtet in einem Nebenraum oder an einem Nebentische
in einen abgestempelten Umschlag gesteckt werden müssen. 12) Die Ergeb-
nisse werden von den Wahlvorständen ermittelt und hierauf von einem
Wahlkommissar für den ganzen Wahlkreis zusammengestellt.:s) Als ge-
wählt gilt derjenige, der die absolute Mehrheit aller abgegebenen Stim-
men erhalten hat. Ist eine solche nicht erzielt, so entscheidet bei Stimmen-
gleichheit das Los, andernfalls die engere Wahl unter den beiden Bewerbern,
welche die meisten Stimmen auf sich vereinigt haben.)
Dem Kaiser steht es zu, den Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu
vertagen und zu schließen. 15) Die Berufung muß mindestens einmal
jährlich stattfinden.1) Die Vertagung (Unterbrechung der Sitzungen)
darf ohne Zustimmung des Reichstags nur für 30 Tage und nur einmal
während derselben Sitzungsperiode erfolgen. 1) Zur Auflösung während
der fünfjährigen Wahlperiode (Legislaturperiode) ist ein Beschluß des
Bundesrates und die Zustimmung des Kaisers erforderlich. Nach der
Auflösung muß die Zusammenberufung der Wähler binnen 60, die des
neuen Reichstags binnen 90 Tagen erfolgen.—s)
6) WG. 8 4 u. Schutzgeb G. O0 (RGB. 11) WG. 8 7 u. 8; WR. 8 1—5.
813) § 9 Abs. 2. 12) WG. § 10 u. 11; WR. § 11—16.
7) Verf. Art. 21. Stellvertretungskosten 13) WE. § 13; WR. 817—22 u. 24—27.
§ 23 Anm. 3. 14) WG. 8§ 12; W. 8§ 28—35.
8) WG. § 5, Verf. Art. 20 u. G. 73
(Anm. 3) 83; Wahlkreiseinteilung Wahl-
Regl. § 23 nebst Anl. C (Berichtigung
15) Verf. Art. 12.
16) Das. Art. 13.
17) Das. Art. 26. — Die Vertagung
RG. 70 S. 488 Nr. II) u. Nachträgen
72 (RGB. 38), 73 (das. 144), 76 (das. 275),
06 (das. 317), 13 (das. 597), f. Helgoland G.
90 (Anm. 3) § 4 u. Bek. 16. Mai 91(RB.
111), f. Süddeutschl. 27. Feb. 71 (RGB. 35),
f. Els.-Lothringen Bek. 1. Dez. 73 (RB.
373) u. 29 Juni 06 (das. 852).
9) WG. § Gu. 9; WRegl. § 6—8 u. 10.
10) WG. § 9 u. 14; WR. 8§ 9. — Die
Offentlichkeit bezieht sich nach einer Entsch.
des Kam. Ger. 3. Nov. 90 auf alle im
Reiche Wahlberechtigte.
unterscheidet sich von der Auflösung, weil
sie keine Neuwahlen erforderlich macht,
von der Schließung, weil der Wieder-
zusammentritt ohne Einberufung statt-
findet u. die in Beratung befindlichen
Sachen, die im Falle der Schließung als
erledigt gelten (Geschäfts O. § 70, Dis-
kontinuität), wieder ausgenommen werden
können. — Daneben kann sich der Reichstag
unter kurzer Unterbrechung der Sitzungen
selbst vertagen.
18) Das. Art. 24 (Anm. 3) u. 25.