Das Deutsche Reich; Behörden. § 19, 20. 33
einer durchgebildeten Behördengliederung. Die Reichsbehörden sind vor-
wiegend obere Aufsichtsbehörden; nur für die auswärtigen Angelegenheiten
(86—89), die Kriegsflotte (§ 117 Abs. 3), die Reichsbank (8 328 Abs. 7),
das Post= und Telegraphenwesen (8 390) und die Reichseisenbahnver-
waltung (8 175 Abs. 2) besitzt das Reich untere Verwaltungsbehörden.
Die Ordnung seiner Behörden beruht auf dem Grundsatze strenger Zen-
tralisation. 2. Der Reichskanzler.
§ 19.
Der Reichskanzler führt den Vorsitz im Bundesrat (8 15 Abs. 4) und
bildet die Spitze der gesamten Reichsverwaltung, in der alle Fäden der
letzteren zusammenlaufen. Er muß alle kaiserlichen Anordnungen und Ver-
fügungen gegenzeichnen und übernimmt damit die Verantwortlichkeit für
diese.:) Für diese Gegenzeichnungen sowie für seine sonstigen Obliegen-
heiten können in Fällen der Behinderung auf Antrag des Reichskanzlers
Stellvertreter vom Kaiser ernannt werden. Die Stellvertretung kann
den Gesamtumfang der Geschäfte umfassen, oder es können für einzelne
Amtszweige, die sich in der eigenen und unmittelbaren Verwaltung des
Reichs befinden, die Vorstände der dem Reichskanzler untergeordneten
obersten Reichsbehörden im ganzen Umfange oder in einzelnen Teilen ihres
Geschäftskreises als Stellvertreter bestellt werden.3)
Für die eigene Geschäftsverwaltung des Reichskanzlers besteht die
Reichskanzlei. Die Stellung des Reichskanzlers ist regelmäßig mit der
des preußischen Ministerpräsidenten verbunden, um die Einheitlichkeit der
Reichs= und der preußischen Verwaltung zu wahren.
3. Die übrigen Reichsbehörden.
§ 20.
Alle übrigen Reichsbehörden bilden nur Organe des Kanzlers. Ihre
Einrichtung ist sonach von der der Zentralbehörden in den Einzelstaaten,
insbesondere in Preußen (8 44 und 46) wesentlich verschieden. Der Grund
liegt in der Einrichtung des Reichs, an dessen Spitze der kollegialisch ge-
bildete Bundesrat steht. In diesem werden, ähnlich wie im preußischen
Staatsministerium, die Gesetze und Verwaltungsmaßregeln beraten; neben
ihm würde sich für ein zweites Kollegium kein Platz finden; ein solches
würde jede kräftige Anbahnung ausschließen, deren gerade das Reich mit
seinen zahlreichen schöpferischen Aufgaben besonders bedarf.
Die Zahl der hiernach dem Reichskanzler zugeordneten Behörden hat
sich mit der Ausdehnung der Reichstätigkeit beständig vermehrt. Von dem
ursprünglich gebildeten Reichskanzleramte haben sich im Laufe der Zeit
") Verf. Art. 17. Keiner Gegenzeichnung :) G. 17. März 78 (ReB. 7).— § 20
bedürfen die Anordnungen, die der Kaiser Abs. 2 d. W. — Vertretung im Bundes-
als Oberbefehlshaber des Heeres (Art. 63, 8 15 Abs. 4.
verb. § 39 Anm. 7 d. W.) u. der Kriegs-
flotte (Art. 53 Abs. 1) erläßt.
Hue de Grais, Handbuch d. Verf. u. Verw. 22. Aufl. 3