Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

8 11. Fürstenstaaten (Monarchien). 87 
sofern von Bedeutung, als hierbei der Monarch nur diejenigen 
Beschränkungen übernimmt, die aus der gegebenen Verfassung 
erhellen, so daß hier eine „praesumtio pro rege“ (S. 67) spricht. 
Auch in der konstitutionellen Monarchie ist die dem Monarchen 
zustehende Staatsgewalt originär; sie beruht nicht auf der Ver- 
fassung. Der König regiert nicht kraft der Verfassung, wie 
in der monarchischen Demokratie, sondern in übereinstim- 
mung mit ihr (pvgl. z. B. Pr Vu. Art. 54 ID. 
2) Auch bei der konstitutionellen Monarchie ist der 
Monarch wie im Ständestaat bei der Ausübung der 
Staatsgewalt an die Mitwirkung gewisser Kör- 
perschaften gebunden. Aber diese unterscheidet sich 
von den Ständen in zwei Punkten. 
Einmal sind die Stände keine Organe des 
Staates, sondern ihr eigenes Interesse wahrnehmende 
selbständige Verbände, die vom Monarchen bei Vornahme 
gewisser Staatsakte herangezogen werden müssen (S. 84). 
Der Ständestaat ist dualistisch angelegt; neben dem 
Staat stehen die Stände; der Staatswille entsteht durch 
das Zusammenwirken beider Faktoren. Die Volksver- 
tretung im konstitutionellen Staate dagegen ist ein 
zwecks Bildung des Staatswillens in den ver- 
fassungsmäßig bestimmten Fällen zur Mitwirkung neben 
dem Monarchen berufenes Staatsorgan. Die konsti- 
tutionelle Monarchie ist „unitarisch“: die Volksver- 
tretung steht im Staate, nicht neben ihm! 
Ferner repräsentieren die Stände nicht das 
Volk, sondern nur bevorzugte Teile desselben. Die 
Volksvertretung dagegen ist zur Wahrnehmung der 
Rechte und Interessen des ganzen Volkes berufen, 
denn rechtlich geschiedene Stände gibt es, vom hohen 
Adel abgesehen (L. 1 § 3 b 1, unten S. 534) überhaupt 
nicht mehr (Pr VU. Art. 4, 2). 
Vgl. z. B. RV. Art. 29: „Die Mitglieder des Reichstages 
sind Vertreter des gesamten Volkes und an Aufträge und In- 
struktionen nicht gebunden“; ebenso Pr Vu. Art. 83. Tatsächlich 
schließen sich die meisten Mitglieder der Volksvertretung einer 
der in dieser vertretenen „Fraktionen“ an, d. h. einer der par- 
lamentarischen Vereinigungen, die durch gemeinsame politische, 
religiöse (Zentrum) oder wirtschaftliche Fnteressen zusammen- 
gehalten werden. Die Volksvertreter werden sogar fast stets 
im Hinblick auf ihre Parteizugehörigkeit gewählt. Aber rechtlich 
ist kein als konservativer Kandidat Gewählter gehindert, sich im
	        
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