Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

§ 11. Fürstenstaaten (Monarchien). 89 
5) Die Wahl erfolgt in Wahlkreisen, in die das 
Land vielfach im Anschluß an die örtlichen Verwaltungs- 
bezirke geteilt ist, durch die Wahlberechtigten. Dies 
sind aber nicht etwa alle Volksgenossen, sondern nur die- 
jenigen, die gewissen Vorbedingungen entsprechen. 
In der Regel muß ein gewisses Alter (mindestens Voll- 
jährigkeit) vorhanden sein, Frauen sind — abgesehen von eini- 
gen Staaten Nordamerikas (Wyoming, Washington, Utah, Idaho, 
California, Colorado) und Australiens — ausgeschlossen (Suffra- 
getten in England, „votes for women“"), ebenso Personen mit 
geminderter Ehre oder Verfügungsfähigkeit (im Konkurse Be- 
findliche, wegen Verschwendung Entmündigte). Zuweilen ist eine 
bestimmte Aufenthaltszeit am Wahlort oder eine bestimmte Min- 
destdauer der Staatsangehörigkeit, ein Mindeststeuersat (Zen- 
sus), Mindesteinkommen, Grundbesitz oder selbständige Wohnung 
(England) vorgeschrieben. 
6) Das Wahlsystem kann nach aristokrati- 
schen, plutokratischen oder demokratischen 
Rücksichten bestimmt sein. Demgemäß kann der Stand 
oder das Vermögen eine Bevorzugung gewähren, zu- 
weilen so, daß ein Wähler mehrere Stimmen abgeben 
darf (Pluralwahlsystem, Sachsen, Belgien) oder 
so, daß er mit weniger Genossen die gleiche Wahlwirkung 
erzielen kann, wie ein minder Bevorrechtigter mit zahl- 
reichen Genossen (Komitial-, Abteilungs= oder 
Klassen-Wahlsystem; vgl. S. 574 u. Anh. I1). 
Das demokratische Ideal stellt das allgemeine, 
gleiche, direkte und geheime Stimmrecht dar. 
Darnach hat jeder gewissen Vorbedingungen entsprechende 
Staatsbürger das Wahlrecht; es finden keine Bevorzu- 
gungen durch Einteilung in Klassen statt; die Wähler 
bezeichnen nicht Wahlmänner, die erst ihrerseits wieder 
die Abgeordneten wählen, sondern diese werden unmittel- 
bar von den Wählern gewählt; die Abgabe der Stimmen 
erfolgt endlich nicht öffentlich, daher nicht gefälscht durch 
Rücksichten auf Stellung und Erwerb. In allen diesen 
Beziehungen entspricht das Reichstagswahlrecht (S. 249) 
dei widerspricht das preußische Wahlrecht (S. 574) diesem 
deal. 
Das neueste Wahlsystem ist das Proportional- 
system (Proporz, Verhältniswahl). Es ist reichsrechtlich 
für die Wahlen zu den Beisitzerstellen der Kaufmanns-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.