Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

94 § 12. Volksstaaten (Demokratien). 
Spitze, mit einem auf Zeit durch Wahl bestellten Präsi- 
denten als höchstem Staatsorgan kommt in Ansehung 
der Art der Beteiligung des Volkes an der 
Ausübung der Staatsgewalt gegenwärtig in zwei 
Formen vor. 
a. Die reine (unmittelbare) Demokratie. 
Hierbei steht die Staatsgewalt der Volksgemeinde 
selbst zu, d. h. der Gesamtheit der Wahlberechtigten 
(S. 89). Die Urgemeinde wählt das Staatshaupt und 
übt mit ihm die Staatsgewalt mit. 
Dies System ist naturgemäß nur in kleinen Gemeinschaften 
und unter einfachen Verhältnissen durchführbar (in Athen, im 
älteren Rom, heute noch in den kleinen Schweizer Kantonen 
Appenzell, Glarus, Unterwalden, Uri). 
b. Die parlamentarische (mittelbare, re- 
präsentative) Demokratie. In dem den heu- 
tigen, größeren Verhältnissen allein entsprechenden Typus 
der Republik wird die Staatsgewalt nicht unmittelbar 
vom Volke, sondern durch Repräsentanten ausgeübt, die 
durch Wahl bestimmt werden und zu einem Parla- 
ment, in der Regel in zwei Kammern (Sénat und 
Chambre des députés in Frankreich, Senat und Staaten- 
haus — zusammen „Kongreß"“ — in den Vereinigten 
Staaten) zusammentreten. 
Die Repräsentation des Volkes durch die Kammern wird 
bei vielen in den Verkündungsformeln der Gesetze ausdrücklich 
hervorgehoben (z. B. „The people of New Tork, represented in 
Senate and Assembly, do enact as follows“). 
Die Bedeutung des Oberhauses ist in der Republik 
in der Regel weit geringer als in der konstitutionellen Monarchie. 
In dieser werden die Mitglieder der I. Kammer zu einem erheb- 
lichen Teile vom Monarchen ernannt und zu einem andern 
Teil bestimmten, durch Geburt, Grundbesitz, Amtsstellung oder 
Beruf gekennzeichneten Ständen entnommen, so daß das Ober- 
haus gegenüber der frei gewählten zweiten Kammer eine selb- 
ständige Grundlage aufweist. In der Republik dagegen sind beide 
Häuser in der Regel frei gewählt, und ihre Mitglieder sind den 
gleichen sozialen und politischen Volksschichten entnommen. Das 
Oberhaus unterliegt der Auflösung gleich dem Unterhause, und 
dieses bzw. das stets aus ihm entnommene Kabinett wird nicht 
zögern, einen etwaigen Widerstand durch dieses Mittel (in der 
monarchischen Demokratie, S. 97, auch mittelst Vermehrung der 
Mitglieder des Oberhauses, sog. Pairsschub) zu brechen. Eine
	        
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