§ 12. Volksstaaten (Demokratien). 97
Geschichte der großen Republiken zeigt, daß nirgends die Kor-
ruption und der Nepotismus so blüht, wie dort, daß bei jeder
Veränderung der Kammermehrheit die einflußreichen und ein-
träglichen Beamtenstellen an Parteigänger ohne Rücksicht auf ihre
Qualifikation und Erfahrung vergeben werden, und daß auch
die hohe Politik einem fortwährenden sprunghaften Wechsel unter-
liegt. Endlich ist die seit Jahrhunderten als Fundamentalsatz fest-
gestellte Trennung der Gewalten nirgends weniger scharf, als
in den parlamentarisch regierten Staaten. Denn tatsächlich hat
das Parlament gleichzeitig Legislative und Exekutive.
d. Die Berufung zum Staatshaupt
erfolgt teils (Frankreich, Schweizer Eidgenossenschaft)
durch Wahl der Kammern (in der Regel bei der
unselbständigen Präsidentschaft) teils (nordamerikanische
Union, Schweizer Einzelstaaten) unmittelbar durch
Volkswahl (in der Regel bei der selbständigen Prä-
sidentschaft).
3. Die monarchische Demokratie (parla-
mentarische Monarchie).
a. Die monarchische Demokratie ist ein Volksstaat,
bei dem das Staatshaupt nicht eine auf Zeit eingesetzte
und verantwortliche, sondern eine dauernd bestellte,
unverantwortliche, fürstlicher Ehren teil-
haftige Person ist.
3. Wie bei der konstitutionellen Monarchie (S. 86 ff.)
findet eine Teilung der Staatsfunktionen zwischen dem
Staatshaupt und den Kammern statt. Der grundsätzliche
Unterschied zwischen den beiden Staatsformen liegt aber
darin, daß in der konstitutionel len Monarchie
der Monarch, in der monarchischen Demokratie
das Parlament der ursprüngliche Träger der
Staatsgewalt ist, sodaß dort eine praesumtio pro rege
(S. 67), hier pro populo spricht.
Darauf deutet zuweilen schon der Titel des Monarchen hin.
Der Titel des griechischen oder belgischen Königs ist nicht „König
von Griechenland“, „König von Belgien“ (wie „König von
Preußen“), sondern „König der Hellenen“, „König der Belgier“.
Es soll damit (wie durch den Satz: „par la gräce de Dieu et la
volonté du peupie“, S. 67) angedeutet werden, daß das König-
tum sich von der Nation herleitet.
J. Im Gegensatz zur konstitutionellen Monarchie
(S. 86 ff.) tritt das Parlament (in der Regel, nicht z. B.
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