8 13. Anh. zu § 12. Franz. u. engl. Verfassungsgeschichte. 99
tatsächlich nach dem Willen der Parlamentsmehrheit; „roi
fain Cant“; Thiers, 1830: „Le roi règne, mais
il ne gouverne pas“. Das „Kabinett“ d. h.
das Kollegium der Minister mit dem Ministerpräsidenten
an der Spitze tritt zurück, sobald die Parlamentsmehrheit
— insbesondere gelegentlich einer Interpellation (S. 91)
oder der Einbringung einer Tagesordnung — ihm ein Miß-
trauensvotum erteilt („Stellung der Kabinettsfrage“).
c. Die Rechtsprechung in letzter Instanz wird
zuweilen (so in England) durch das Oberhaus (House
of Lords) ausgeübt.
Die parlamentarische Monarchie findet sich in England,
Belgien, den Niederlanden, Norwegen, Italien, Spanien, Ru-
mänien und Griechenland. Je nach dem Maße des Parlaments-
einflusses unterscheidet man Kabinettsregierung (so in
England) mit Selbständigkeit der Minister hinsichtlich der ein-
zelnen Regierungsakte und eigentliche parlamentarische
Regierung, wobei die Minister bloße Werkzeuge des Parla-
ments sind und in allen Einzelheiten dessen Weisungen unter-
worfen sind. Bei dieser Staatsform treten die S. 96 f. geschil-
derten Gefahren der „parlamentarischen Regierung“ (und Neben-
regierung) naturgemäß am deutlichsten zutage.
§ 13. Anhang zu § 12. Französische und englische
Verfassungsgeschichte.
a. Die Verfassungsentwicklung in Frankreich,
dem Vorbilde aller vom Parlament geleiteten Republiken,
weist folgende Hauptabschnitte auf:
1. Berufung von Btats-Généraux (Bertreter der Geist-
lichkeit, des Adels und der Städte) unter Philipp IV., dem
Schönen (1285—1314).
2. Absolute Monarchie unker Ludwig XIV.
(1643—1715, Mazarin) nach Niederwerfung des Parlaments-
aufstandes (der „Fronde").
3. Revolution unter Ludwig TXVI. (1774—1793):
Einberufung von Generalständen (1788, Minister Necker), in
dem der Adel 300, die Geistlichkeit 300, die Bürgerschaft (le
tiers éStat, Flugschrift des Abbé Sieyès: „Qu'est ce due le
tiers ötat?“) 600 Sitze erhalten. Konstituierung der Bürger-
vertreter und einiger Vertreter der anderen Stände als As-
semblée nationale constituante (Mirabeau). Erstür-
mung der Bastille 14. Juli 1789. Déclaration des droits
de Thomme et du citoyen (26. August 1789), einver-
leibt in die
4. Constitution frangaise vom 3. September
1791: Beseitigung des Adels und aller Standesunterschiede, Ein-