116 § 16. Völkerrechtliche Abhängigkeitsverhältnisse.
sind seit dem den Balkankrieg beendenben Londoner Frieden
vom Mai 1913 von der Türkei völlig losgelöst;
b. von Frankreich:
· die Königreiche Kambodja (seit 1863) und Annam
(seit 1874), ferner Tunis (seit 1881) und Marokko (seit
dem Vertrag vom 30. März 1912);
hc. von England:
die Staaten Nordborneo, Sarawak und Brunei der Insel
Borneo (seit 1888) und die Insel Labuan, ferner das Sul-
tanat von Zanzibar (deutsch-englischer Vertrag vom 1. Juli
1890, durch den Deutschland die Insel Helpoland erhielt), die
Tongainseln (seit 19000, der Malaiische Bundes-
staat (seit 1895), die Gebiete eingeborener Fürsten und Stam-
meshäupter in Britisch-Indien;
d. von Rußland:
die Khanate Chiva und Buchara (seit 1868).
b. Das Protektorat.
1. Begriff.
Protektorat ist ein vertragsmäßiges Rechtsverhältnis
zwischen zwei souveränen Staaten, kraft dessen der eine
(Oberstaat) dem anderen (Unterstaat) gegenüber dessen
völkerrechtlichen Schutz und dessen Vertretung übernimmt
(in der Regel der zivilisierte gegenüber einem halb-
zivilisierten Staate, den er dadurch sich wirtschaftlich
dienstbar macht, eine Art der Kolonisation).
2. Wesen.
Das Protektorat bewirkt keinen staatsrechtlichen Zu-
sammenschluß beider Staaten zu einem Staatenstaat, son-
dern nur eine' Beschränkung der völkerrechtlichen Hand-
lungsfähigkeit des Unterstaates. Dieser bleibt im übrigen
vollkommen souverän, wird also nicht der Staatsgewalt
des Oberstaates unterworfen („protectio non involvit
subiectionem"), wenngleich er in eine politische (d. h.
tatsächliche) Abhängigkeit vom Oberstaat zu kommen pflegt.
3. Das Protektorat unterscheidet sich vom
Gesamtstaat durch die Erhaltung der vollen Sou-
veränität des Unterstaates; dem Protektorstaat stehen nur
vertragsmäßige Rechte und Pflichten gegenüber dem Un-
terstaate zu, nicht auch gegenüber dessen Untertanen.
Uebrigens wird der Ausdruck Protektorat irreführend auch
für Suzeränität über einen Vasallenstaat, ja auch für die
Staatsgewalt über Kolonien oder deren Hinterland (die In-
teressensphäre) verwendet; vgl. S. 26.