Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

130 8 18. Die Feststellung der Staatsform. 
a. Die naturrechtliche Anschauung hielt sie 
für wirkliche subjektiv-öffentliche Rechte des Individuums 
gegenüber dem Staate, hergeleitet aus einer überstaatlichen 
„natürlichen“ Rechtsordnung, die den Staat und die 
in ihm vereinigten Subjekte beherrsche. Nach dieser An- 
schauung ist der einzelne nicht bloß Pflichtsubjekt (Unter- 
tan, sujet), sondern auch Rechtssubjekt gegenüber dem 
Staate (Staatsbürger, citoyen). 
8. In neuerer Zeit (Gerber, Laband, Seydel, 
O. Mayer, Bornhak) wird die Möglichkeit wirklicher 
subjektiv-öffentlicher Rechte gegenüber dem 
Staat geleugnet, weil alles Recht vom Staate herkomme 
(S. 42), dieser an seine Selbstbeschränkung also nicht ge- 
bunden sein könne; es handele sich bei den sog. Grund- 
rechten nur um Reflexe von Sätzen des objektiven öffent- 
lichen Rechts und um Betätigungen der natürlichen Be- 
wegungsfreiheit (res merae facultatis, wie auch Essen, 
Schlafen, Reden). Andere (Georg Meyer, Gierke, Löning, 
Kirchenhein) betonen demgegenüber, daß durch die objek- 
tiven Normen der Verfassung dem einzelnen diese, ehemals 
zweifelhafte und in ihren Grenzen bestrittene Bewegungs- 
freiheit gewährleistet werde, sodaß dieser Schutz gegen 
staatliche Eingriffe und Beschränkungen zu einem Bestand- 
teil der individuellen Rechtssphäre, also zu einem subjek- 
tiven Recht geworden sei; freilich werde dieses, als dem 
öffentlichen Recht angehörig, in der Regel (vgl. aber 
z. B. die Beschwerde gegen Verhaftungen, St PO. 8§ 114 
III, und die Zulassung des Rechtswegsgfa ür gewisse Eenit 
stände des öffentlichen Rechts, Z. 1 § 12 a) nicht durch 
die ordentlichen, sondern durch die Leiriche durch 
geschützt. Allerdings richteten sich diese Rechte nicht 
gegen den Staat in seiner gesetzgebenden, sondern 
nur in seiner richtenden und ausführenden Funktion, 
also gegen Justiz oder Verwaltung. Sie hätten aber min- 
destens die Folge, daß eine Entziehung oder Beeinträch- 
tigung dieser Rechte nie durch einen Verwaltungsakt, son- 
dern nur durch ein verfassungsänderndes Gesetz erfolgen 
önnte. 
J. Jellinek (System der subjektiven öffentlichen 
Rechte, 2. A. 05) erkennt nur einen Anspruch auf ein
	        
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