Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

134 8 19. Staatsfunktionen. Allgemeines. 
de Secondat, Baron de la Brede et de Montesquien 
(1689—1755, „Esprit des Lois“, 1748, Livre XI, Cha- 
pitre VI „De la constitution d’Angleterre“); sog. kon- 
stitutionelle Theorie. 
Montesquien unterscheidet in ungefährer Ueberein- 
stimmung mit Aristoteles: 
a. la puissance législative (Gesetzgebung), 
8. la puissance exécutive, nämlich: 
a. des choses „qui dépendent du droit des gens“ 
(„simplement puissance exécutive de 1’Etat“, 
Verwaltung); 
b. des choses „qui dépendent du droit civil“ 
(„uissance de juger“, Rechtsprechung). 
Bei Montesquien hat diese Einteilung aber nicht 
nur die Bedeutung einer Systematisierung. Vielmehr be- 
nutzt er sie zur Aufstellung eines politischen Dog- 
mas: des Grundsatzes von der Teilung (loder 
Trennung) der Gewalten (s6paration des pou- 
voirs). Er führt aus, daß die politische Freiheit des 
Bürgers nur dann gewährleistet ist, wenn jede der drei 
Gewalten von einem anderen Staatsorgan ausgeübt 
wird, und daß sie gefährdet ist, wenn auch nur zwei 
derselben in einer Hand vereinigt sind. Die Legislative 
müsse dem Volke oder seiner Vertretung, dem Parlament, 
die Exekutive dem Staatsoberhaupt und den ihm nach- 
geordneten Behörden, die Jurisdiktion selbständigen, vom 
Parlament und Staatsoberhaupt unabhängigen Gerichten 
zustehen. Er behauptet, daß — wenigstens nach den gelten- 
den Gesetzen, wenn auch vielleicht nicht nach der tatsäch- 
lichen übung — in England dieses Ideal der Gewalten- 
teilung verwirklicht sei. 
Montesquieus Lehre von der Gewaltenteilung, die gegen 
den auf dem Kontinent herrschenden Absolutismus gerichtet war, 
hat die Verfassungsentwicklung der ganzen Welt beeinflußt (Nord- 
amerika 1787, Frankreich 1791, Belgien 1831), auch die der 
deutschen Bundesstaaten. Auch die Pr Vll. hat diese Lehre aufge- 
nommen; sie zeigt sich hier in den Artikeln 621 („Die gesetz- 
gebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und 
durch zwei Kammern ausgeübt“"), 45, 1 („Dem König allein steht die 
vollziehende Gewalt zu"), 86 I („Die richterliche 
Gewalt wird im Namen des Königs durch unabhängige, keiner
	        
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