144 8 20. Die Geſetzgebung (Legislative).
äußerliches, „formelles“, nämlich die vom Staate
ausgehende Satzung.
a. In der geſchichtlichen Entwicklung findet ſich bald
das formelle, bald das materielle Element mehr betont.
1) Das römiſche Recht blickte immer mehr auf die
Form als auf den Inhalt und nannte „lex“ jede ſtaatliche
Willenserklärung ohne Rücksicht auf den Inhalt. Dies galt so¬
wohl in der republikanischen Zeit (J. 1, 2, 4: Lex est quod
populus Romanus constituebat) wie unter den Kaisern, deren
Recht zur Ausübung der Staatsgewalt auf eine Uebertragung
seitens des Volkes durch eine lex regia zurückgeführt wurde
(D. 1, 4, 1, pr.: Quod principi placuit, legis habet vigorem).
Nur bisweilen findet sich lex als Rechtsregel erklärt (D. 1, 3, 1:2
Lex est commune praeceptum).
2) Das germanische Recht dagegen wandte den BeŸ
griff Lex vorwiegend im materiellen Sinne an. Es verstand
darunter die Gesamtheit der Rechtssätze, die die Stellung des.
freien Mannes betrafen und die vom König nicht geändert
werden durften, ohne daß die Volksgemeinde, an deren Stelle
später die Versammlung der Großen und die Stände traten, ihre¬
Zustimmung erteilte. Insbesondere in England wurde das ange¬
borene, meist auf Gewohnheit beruhende Recht des freien Mannes
auf dem Gebiete des Straf=, Privat= und Prozeßrechts, als
common law bezeichnet, das nur unter Zuziehung des Par¬
laments geändert werden durfte. Dieses neue Gesetzesrecht hieß
dann statute law. Die durch law (common oder statute law)
geordneten Gebiete wurden der Anderung durch einseitige Regie¬
rungsakte, der sog. königlichen Prärogatiwve, entzogen.
Diese wurde nach und nach völlig bedeutungslos, da das statute¬
law sich allmählich auf alle Gebiete erstreckte.
3) In den absoluten Monarchien der neueren Zeit
kam wieder nur der formelle Begriff des Gesetzes in Betracht.
Da die gesamte Staatsgewalt sich im Herrscher vereinigte, so.
nannte man jede seiner Willensäußerungen Gesetz, auch wenn
sie nicht eine Rechtsregel von allgemeiner Gültigkeit aufstellte,
sondern nur eine tatsächliche Anordnung enthielt oder eine Einzel¬
berechtigung (Privileg, Dispensation) gewährte. üblich war es.
allerdings, die eine Rechtsnorm aufstellenden königlichen Anord¬
nungen einer Vorberatung in einer — aber nur mit beratender
Stimme ausgestatteten — Versammlung der Vuürdenträger
(Staatsrat) zu unterziehen und diese Anordnungen ferner durch¬
Veröffentlichung mittelst Anschlags, Verkündung von der Kanzel.
oder durch Ausruf, später durch die Zeitungen, den Untertanen
zur Nachachtung mitzuteilen. Insofern war in der Regel zwischen
den königlichen Anordnungen mit Rechtsinhalt und den bloßen
Verwaltungsakten ein Unterschied erkennbar, zumal die ersteren
regelmäßig die Bezeichnung Gesetz, die letzteren die Bezeichnung.
Königliche Verordnung, Kabinettsorder, Publikandum usw. er¬
hielten. Jedoch fanden sich vielfache Abweichungen.