Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

8 22. Die Berwaltung (Exekutive). 161 
ein unter Heinrich VII. (1485—1509) gegründeter, 1641 auf- 
gehobener Gerichtshof mit Zuständigkeit für Staatsverbrechen und 
für den Adel aus. Er war zusammengesetzt aus dem Lordkanz- 
ler und königlichen Räten, urteilte also ohne Geschworene (jury), 
deren Zuziehung zur Feststellung der Tatfrage schon seit der 
Normannenzeit als Grundlage der englischen Gerichtsverfassung 
galt. Ausnahmegerichte waren ferner die Revolutions- 
tribunale während der französischen Revolution (S. 99 f.) 
und der in Preußen für den Pol enprozeß (1847) gebil- 
dete Gerichtshof. Dagegen war der 1835 beim Kammergericht 
zur Aburteilung der Straftaten gegen die Verfassung und die 
öffentliche Ordnung gegründete Staatsgerichtshof ein stän- 
diges, wenngleich besonderes (s. u.) Gericht (nach Pr V. Art. 
95 in der ursprünglichen Fassung sollte er ein Schwurgerichtshof 
werden, dies wurde aber durch PrE. vom 21. Mai 1852 ge- 
ändert); er bestand bis zum Inkrafttreten der Reichsjustiz- 
gesetze am 1. Oktober 1879, die die Hoch= und Landesverrats- 
prozesse gegen Kaiser und Reich dem Reichsgerichte, die übrigen 
Strafverbrechen den ordentlichen Gerichten überwiesen. 
Mit den für einzelne Fälle und durch willkürliche 
Anordnung des Staatshauptes geschaffenen Ausnahmege- 
richten nicht zu verwechseln sind die für ganze Kate- 
gorien von Zivil= oder Strafsachen durch gesetzliche Vor- 
schrift gebildeten besonderen Gerichte, die ebenso 
unabhängig sind wie die ordentlichen Gerichte. 
Im Deutschen Reiche gehören alle bürgerlichen Rechts- 
streitigkeiten und Strafsachen vor die „ordentlichen Ge- 
richte“ (Amts-, Land-, Oberlandesgerichte und das Reichs- 
gericht), soweit nicht entweder die Zuständigkeit von Berwaltungs- 
behörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist, oder reichs- 
gesetzlich besondere Gerichte bestellt (z. B. die Konsular-, Schutz- 
gebiets-, Prisen-, Arbeiterversicherungs-, Militärgerichte) oder zu- 
gelassen sind (z. B. die Sondergerichte für die souveränen 
und depossedierten Familien und die Austrägalgerichte für die 
Standesherren, die Rheinschiffahrts-, Elbzoll-, Agrar-, Gemeinde-, 
Gewerbe-, Kaufmannsgerichte). Vgl. Z. I 8 11. 
8 22. Die Verwaltung (Exekutive). 
a. Begriff. 
1. Wie bei Gesetz (S. 143 ff.) und Justiz (S. 157 ff.) 
kann man auch bei der Verwaltung (valere = regieren, 
einen Willen gelten lassen) einen materiellen (Funktion) 
und einen formellen Begriff (Organ, Zuständigkeit) unter- 
scheiden. # 6 
Ehemals sprach man (zu eng, S. 141) vom pouvolr exécutif 
127
	        
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