Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

Sonstige Nachträge. XXI 
neue Dienstvorschrift über den Waffengebrauch sieht in den §§ 1, 2 
für Preußen geltendes Recht, während im übrigen Bundesgebiete 
für die Erklärung des Belagerungszustands bei Aufruhr die — 
im voraus durch die kommandierenden Generale den in Frage 
kommenden Militärbefehlshabern bekannt zu machenden — einzel- 
staatlichen Verfassungen und Gesetze maßgebend seien und nur bei 
deren Unzulänglichkeit der Militärbefehlshaber die Erklärung des 
Kriegszustands beim Kaiser unmittelbar erbitten solle. 
b. Bei Zugrundelegung der in der Praxis befolgten An- 
sicht ergibt sich also für Preußen folgendes (vogl. Z. 1 § 100). 
1. Zuständig zur Erklärung des Kriegszustands ist 
a. der Kaiser, wenn die öffentliche Sicherheit bedroht ist: 
a. durch feindlichen Angriff, b. durch Aufruhr (RV. Art. 
68); 
8. der Festungskommandant oder der komman- 
dierende General in den vom Feinde bedrohten oder teilweise 
besetzten Provinzen (PrG. 8 1); 
J7. das Staatsministerium bei Aufruhr, provi- 
sorisch rücksichtlich einzelner Orte und Distrikte auch der oberste 
Militärbefehlshaber oder der Festungskommandant (8 2). 
2. Ob die Erklärung des Kaisers als Armeebefehl (S. 289) 
gegenzeichnungsfrei und ob sie im RGBl. abzudrucken ist, ist 
streitig. § 3 des Pr G. schreibt Verkündung bei Trommel- 
schlag oder Trompetenschall, Mitteilung an die Gemeindebehörde, 
Anschlag und Bekanntmachung durch öffentliche Blätter vor. 
3. Die Wirkungen der Erklärung sind verschieden. 
a. Beim ein fachen Belagerungszustande geht die voll- 
ziebende Gewalt an die Militärbefehlshaber über (8 4). Die 
ilitcesuen stehen unter den für den Kriegszustand gelten— 
den Geseten 1§8 6, 7), und es können qußerorbentliche Kriegs- 
gerichte angeordnet werden, denen alle Einwohner wesen Horh- 
berrat, Landesverrat, Mord, Aufrühr usw. unterliegen (§8 10 
bis 15, Z. 1 8 106). Strafschärfungen enthält EGStGB. 8§ 1, 
der an Stelle des 8 8 des PrG. getreten ist, besondere Straf- 
vorschriften der 89 des PrG. (Fortgeltung zweifelhaft). Über die 
Einführung des Paßzwangs s. S. 317. 
8. Qualifiziert wird der Belagerungszustand durch 
die nach § 5 (vogl. Pr Bu. Art. 111) zulässige Suspension ge- 
wisser Artikel der PrVll., nämlich der Art. 5 (Freiheit der 
Person), 6 (Freiheit der Wohnung), 7 (keine Ausnahmegerichte), 
27, 28 (Preßfreiheit), 29, 30 (Vereinsfreiheit), 36 (Verwendung 
der bewaffneten Macht). Soweit an deren Stelle Reichsrecht 
getreten ist (StpO. §§ 94 ff., 112 ff., StGB. § 312, GVG. 
§8 16, ReichspreßG. §§ 1, 30 I, VerG. §§ 1, 23 II, 2)0), sind 
richtiger Ansicht nach die entsprechenden reichsgesetzlichen Be- 
stimmungen außer Kraft zu setzen (anders — irreführend — 
die Dienstvorschrift über den Waffengebrauch des Militärs). 
J. Vom kleinen Belagerungszustand spricht man, wenn 
nach § 16 ohne Erklärung des Belagerungszustands im Falle 
des Krieges oder Aufruhrs das Staatsministerium (S. 601) 
 
	        
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