Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

196 8 26. Der Norddeutsche Bund und das Deutsche Reich. 
der glückliche Ausgang des Krieges der preußischen Regierung 
zugleich den Weg der Verständigung mit dem Abgeordnetenhaus 
in dem mehrjährigen schweren Verfassungskonflikt (S. 517) er— 
öffnete. Am 18. und 21. August 1866 wurde zwischen Preußen 
und den meisten norddeutschen Staaten ein Bündnisvertrag ab— 
geschlossen (sog. Augustbündnisse), dem di noch fehlenden 
Staaten (Sachsen, Sachsen-Meiningen, Reuß ä. L., Hessen-Darm- 
stadt für die Gebietsteile nördlich des Mains) adt beitraten. 
In diesen Verträgen wurde ein Offensiv= und Defensivbündnis 
auf ein Jahr vereinbart und gleichzeitig bestimmt, daß die end- 
ültige Verfassung des in Aussicht genommenen Norddeutschen 
Bundes mit einem auf Grund des von der Nationalversamm- 
lung (S. 191) beschlossenen Reichswahlgesetzes vom 12. April 
1849 zu wählenden Reichstage vereinbart werden sollte. In 
allen beteiligten Staaten wurden darauf durch die gesetzgebenden 
Organe Wahlgesetze zum Reichstage erlassen, die inhaltlich mit 
dem Reichswahlgesetze von 1849 im wesentlichen übereinstimmten. 
Der zu wählende Reichstag erhielt durch die Mehrzahl dieser 
Wahlgesetze aber nur die Befugnis zur Beratung, nicht auch 
zur erein barung einer Bundesverfassung. Den gesetz- 
gebenden Organen der Einzelstaaten war deshalb der Verfassungs-- 
entwurf zur Annahme erst noch vorzulegen. Am 12. Februar 
1867 fanden die Wahlen zum konstituierenden Reichs- 
tage des Norddeutschen Bundes statt. Am 16. April 
1867 wurde der von den Regierungen vorgelegte, im Reichstage 
vielfach veränderte Entwurf vom Reichstag und am gleichen 
Tag auch von den Vertretern der verbündeten Regierungen an- 
genommen. 
Diese Annahme brachte jedoch den Norddeutschen Bund 
noch nicht zur Entstehung. Denn da die in den konstituie- 
renden Reichstag entsandten Abgeordneten durch die meisten 
Wahlgesetze nur zur Beratung einer Verfassung ermächtigt 
waren, so mußte der Verfassungsentwurf in den einzelnen Staaten 
den gesetzgebenden Faktoren vorgelegt und, da mit seiner An- 
nahme eine Anderung der Landesverfassung verbunden war, 
in der für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Form ange- 
nommen werden; in Preußen geschah dies gemäß Pr VU. Art. 107 
durch zwei Abstimmungen in jeder Kammer, zwischen denen 21 
Tage lagen. Diese Voraussetzung wurde überall erfüllt und die 
Verfassung des Norddeutschen Bundes (in Preußen am 24. Juni 
1867) als Landesgesetz mit der Klausel veröffentlicht, daß die 
Verfassung am 1. Juli 1867 in Kraft treten solle. Der 1. Juli 
1867 ist hiernach der Geburtstag des Norddeutschen Bundes. 
Mit diesem Zeitpunkt entstand der Bund als selbständiges Staats- 
ebilde mit seiner Verfassung und seinen Organen. Durch 
Publikandum vom 26. Juli 1867 verkündete König Wilhelm I. 
unter Gegenzeichnung des am 14. Juli zum undeskanzler 
ernannten Grafen Otto von Bismarck-Schönhausen (S. 518), daß 
die Verfassung des Norddeutschen Bundes am 1. Juli 1867 in 
Kraft getreten sei und er von diesem Zeitpunkt an die ihm durch
	        
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