Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

198 8 26. Der Norddeutsche Bund und das Deutsche Reich. 
in der Bundesverfassung „gleich bei seiner Geburt seine Kon- 
stitution und Organisation mit auf die Welt gebracht“. 
e. Ahnlich meint Anschütz, die Entstehung des NDB. 
und das Inkrafttreten seiner Verfassung habe sich gleichzeitig, 
am 1. Juli 1867, vollzogen, dem Vorgange bei Entstehung einer 
juristischen Person des Zivilrechts vergleichbar, wobei diese zugleich 
mit ihrer rechtlichen Grundlage, der Satzung, in die Erscheinung 
träte. 
*“. Manche Schriftsteller (Jellinek, Mejer, Bornhak) 
meinen endlich, daß die Gründung des Norddeutschen Bundes, 
wie die eines jeden neuen Staatswesens (S. 60), ein rein tat- 
sächlicher Vorgang und der juristischen Konstruktion entzogen 
sei, weil der Staat nicht aus der Rechtsordnung erklärt werden 
könne, die sich erst auf ihm aufbaut. 
b. Die Gründung des Deutschen Reichs. 
1. Die durch die Ereignisse von 1866 herbeigeführte Macht- 
entwicklung Preußens hatte besonders in Frankreich „berechtigte 
Empfindlichkeit", d. h. Neid, hervorgerufen (Revanche pour 
Sadowal). Napoleon III. versuchte 1867, als „Kompensation“ 
Luxemburg zu erhalten, in dessen Hauptstadt Preußen eine 
Garnison hatte, wenngleich seine politische (nicht auch die durch 
den Zollanschluß bedingte wirtschaftliche, ogl. S. 463) Verbindung 
mit den deutschen Staaten gelöst war. Schon bei dieser Gelegen- 
heit drohte der Krieg auszubrechen (Veröffentlichung der Schutz- 
und Trutzbündnisse mit den Südstaaten). Durch die Londoner 
Konferenz (Mai 1867) wurde der Friede noch einmal ge- 
wahrt: Luxemburgs Festungswerke wurden geschleift; das Länd- 
chen wurde unter Garantie der Mächte für neutral erklärt, 
verblieb aber im Zollvereine. Die spanische Thronkandidatur 
des Erbprinzen Leopold von Hohenzollern gab Napoleon III. 
den Anlaß zum Krieg. Auf die am 19. Juli 1870 erfolgte 
Kriegserklärung erkannten die süddeutschen Regierungen sofort 
den casus foederis als gegeben an. Auf Anregung von Baden 
und Bayern wurde dann bereits im September 1870 die festere 
Einigung der Südstaaten mit dem Norddeutschen Bund in An- 
griff genommen und verwirklicht durch die in Versailles ge- 
schlossenen sog. Novemberverträge mit Baden und Hessen 
(15. Nov.), Bayern (23. Nov.) und Württemberg (25. Nov., in 
Berlin geschlossen); am 8. Dezember traten Württemberg, Baden 
und Hessen dem zwischen dem Norddeutschen Bunde und Bayern 
geschlossenen Vertrage bei. Dem Vertrage vom 15. November 
war eine „Verfassung des Deutschen Bundes“ bei- 
gelegt, welche die Verfassung des Norddeutschen Bundes (mit 
wesentlichen Anderungen, S. 199) wiedergab und den 79 Artikeln 
derselben einen Art. 80 hinzufügte, in welchem eine Anzahl 
der im Norddeutschen Bund ergangenen Gesetze zu Gesetzen des 
Deutschen Bundes erklärt wurden. Eine etwas abweichende Fas- 
sung, war dem Vertrage mit Bayern vom 23. November bei- 
gegeben.
	        
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