204 § 28. Die rechtliche Natur des Deutschen Reichs.
des RG. vom 16. April 1871 und die Schlußbestimmung
zum XI. Abschnitt — Reichskriegswesen — der N.).
2. Umgekehrt sind nicht alle Vorschriften der Ver-
fassungsurkunde materielles Verfassungsrecht. Z. B.
gibt der VII. Abschnitt — Eisenbahnwesen — vielfach
Leitsätze für die Verwaltung. Die nachfolgende Dar-
stellung sondert grundsätzlich das Verfassungs= vom Ver-
waltungsrecht und schließt sich innerhalb dieser Gebiete
tunlichst der Einteilung der Reichsverfassung an. Daß
gelegentlich diese Grundsätze durchbrochen sind, wird durch
den inneren Zusammenhang gerechtfertigt. Die eigen-
artige Stellung der Reichslande und der Schutzgebiete ist
am Schlusse des zweiten Buchs erörtert (S. 478 ff.).
8 28. Die rechtliche Natur des Deutschen Reichs.")
a. Das Reich ein Bundesstaat.
1. Der Norddeutsche Bund und das neue Deutsche
Reich sind aus der Verbindung mehrerer vorher sou-
veräner Staaten hervorgegangen. Vergleicht man das
aus der Reichsverfassung zu entnehmende Wesen des
Deutschen Reichs mit den im Allgemeinen Staatsrechte
(S. 120) festgestellten Begriffsmerkmalen des Staaten-
bundes und des Bundesstaats, so ergeben sich die nach-
folgenden Grundsätze:
a. Der Norddeutsche Bund und das Deutsche Reich
sind zwar aus Verträgen der Einzelstaaten hervorge-
gangen. Aber die Grundlage der gesamten Organisation
des Reichs bilden nicht diese Verträge, sondern die ein-
heitliche Verfassung, deren Bestimmungen un-
mittelbare Wirksamkeit für die Untertanen der Einzel-
staaten haben.
8. Dem Reiche steht die „Kompetenz-Kom-
petenz“ (S. 231) zu: gemäß NV. Art. 78 I erfolgen
Veränderungen der Verfassung im Wege der Gesetz-
gebung, nicht aber durch Schließung neuer Verträge
unter Mitwirkung sämtlicher Einzelstaaten mit dem Er-
fordernisse der Einstimmigkeit. Hierdurch ist dem Reiche
—:
*) Rehm (98) und Triepel (07); Unitarismus und
Föderalismus.