Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

g 31. Reichs- und Staatsangehörigkeit. 223 
Es gibt also auch nach dem RSt AG. noch „zujets mixtes“, 
d. h. Personen, die eine mehrfache Staatsangehörigkeit besitzen. 
Früher ging durch bloßen Erwerb einer ausländischen 
Staatsangehörigkeit die ursprüngliche nicht verloren. Um Kon- 
flikte (besonders hinsichtlich solcher Personen, die sich durch Aus- 
wanderung der Militärpflicht entzogen hatten) zu vermeiden, 
wurden 1868 zwischen dem Norddeutschen Bunde sowie den Süd- 
staaten einerseits und den Vereinigten Staaten von Nordamerika 
anderseits die S. 11 erwähnten Bancroftverträge geschlossen, 
wonach Angehörige des einen Teils, die in dem Gebiete des 
anderen Teils fünf Jahre zugebracht haben und daselbst natura- 
lisiert sind, nicht mehr als der früheren Staatsangehörigkeit 
teilhaftig behandelt (also vor allem nicht zur Ableistung der 
Militärpflicht herangezogen) werden dürfen, es sei denn, daß 
sie sich in dem ursprünglichen Heimatlande länger als zwei 
Jahre oder ohne die Absicht der Rückkehr in das Land, in 
dem sie sich haben naturalisieren lassen, wieder aufhalten. Nach 
§ 36 bleiben nun freilich die von Bundesstaaten mit ausländischen 
Staaten vor dem 1. Januar 1914 (§ 41) geschlossenen Staats- 
verträge unberührt; trotz der Bancroftverträge verliert aber 
z. B. ein Bayer, der sich in den Vereinigten Staaten naturalisieren 
läßt, damit nach der Regel des § 25 I sofort seine Staats- 
angehörigkeit ohne Rücksicht auf die Dauer seines Aufenthalts 
in der Union. 
c. Nichterfüllung der Wehrpflicht. 
1) Ein militärpflichtiger Deutscher, der 
im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden 
Aufenthalt hat, verliert seine Staatsangehörigkeit mit der 
Vollendung des 31. Lebensjahres, sofern er bis zu diesem 
Zeitpunkt noch keine endgültige Entscheidung über seine 
Dienstverpflichtung herbeigeführt hat, auch eine Zurück- 
stellung über diesen Zeitpunkt hinaus nicht erfolgt ist 
(§ 26 ). 
2) Ein fahnenflüchtiger Deutscher, der 
Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Auf- 
enthalt hat, verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem 
Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntmachung des Be- 
schlusses, durch den er für fahnenflüchtig erklärt worden 
ist (§ 26 II, 1; vgl. MStGO. 8 360). 
Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf Mannschaften 
der Reserve, der Land= oder Seewehr und der Ersatzreserve, 
die für fahnenflüchtig erklärt worden sind, weil sie einer Einbe- 
rufung zum Dienste keine Folge geleistet haben, es sei denn, 
daß die Einberufung nach Bekanntmachung der Kriegsbereitschaft 
oder nach Anordnung der Mobilmachung erfolgt ist (§ 26 II, 2). 
3) Wer auf Grund der Vorschriften zu 1) oder 2) seine 
Heilfron, Staats= und Verwaltungsrecht. 16
	        
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