Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

234 8 32. Die Reichsgesetzgebung. 
a. Die Feststellung des Gesetzesinhalts. 
Sie erfolgt durch übereinstimmenden Mehrheitsbe— 
schluß von Bundesrat und Reichstag. 
Über die Behandlung der Gesetzentwürfe im Reichstag vgl. 
unten S. 255. 
8. Die Sanktion, d. h. der Erlaß des Gesetzes- 
befehls (S. 152). 
Diese erfolgt (vgl. S. 230) durch einen Beschluß des 
Bundesrats (S. 239), nicht durch den Kaiser. Daraus 
folgt, daß z. B. eine vom Reichstag unverändert ange- 
nommene Bundesratsvorlage noch einmal an den Bundes- 
rat zurückgehen und dieser erst die Vorlegung an den 
Kuiser zur Ausfertigung und Verkündung beschließen 
muß, die Vorlage also immer noch zurückziehen kann, 
eine Praxis, die auch im Reiche geübt wird. Dagegen hat 
der Kaiser, da ihm die Sanktion nicht zusteht, kein Veto- 
recht. Denn nach RV. Art. 5 sind die übereinstimmen- 
den Mehrheitsbeschlüsse von Bundesrat und Reichstag 
zu einer Reichsgesetzgebung ausreichend; es wäre aber 
auch ferner, falls der' Kaiser allgemein befugt wäre, sein 
Veto einzulegen, die besondere Bestimmung des Art. 5 II 
überflüssig (Widerspruchsrecht des Präsidiums — also 
Preußens — bei Anderung der das Militärwesen, die 
Kriegsmarine und die indirekten Steuern betreffenden 
Einrichtungen). 
So die herrschende Ansicht; a. M. Dernburg und Born- 
hak, welch letzterer aus der oben S. 230 wiedergegebenen Ein- 
gangsformel der Reichsgesetze, die von den gesetzgebenden Fak- 
toren nie angefochten worden sei, das Sanktions= und damit das 
allgemeine Vetorecht des Kaisers folgert. 
Der Kaiser darf aber nur Gesetze verkünden, die ver- 
fassungsmäßig zustande gekommen sind. Dies wird fest- 
gestellt durch 
J. die Ausfertigung (Promulgation). Hier- 
unter versteht man die unter Gegenzeichnung des Reichs- 
kanzlers (RV. Art. 17) erfolgende Beurkundung der Ge- 
setzmäßigkeit des Verfahrens beim Zustandekommen des 
Gesetzes und der Echtheit des Gesetzestextes durch datierte 
Vollziehung seitens des Kaisers. 
a. Die Frage, ob die Ausfertigung als besonderes Moment 
bei der Entstehung des Gesetzes aufzufassen ist, ist sehr bestritten.
	        
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