Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

240 § 33. Der Bundesrat. 
rechtliche Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundes- 
staaten auf Anrufen zu erledigen, wobei er sich auch eines 
Gerichtshofs (z. B. des Reichsgerichts, so 1890 in einem 
Streite zwischen Mecklenburg und Lübeck wegen der Trave) 
bedienen kann. Er hat insofern also die Stellung der 
„Austrägalinstanz“ (S. 190) des Deutschen Bundes 
(vgl. Z. 1 § 11 2). 
b. Ferner soll der Bundesrat (wie das „Bundes- 
schiedsgericht“ des Deutschen Bundes) Verfassungs- 
streitigkeiten in den Bundesstaaten, deren Verfassung 
kein Organ dafür vorgesehen hat, auf Anrufen gütlich 
ausgleichen, äußerstenfalls im Wege der Reichsgesetzgebung 
zur Erledigung bringen (Art. 76 I). 
Zweifelhaft ist, ob Art. 76 I, II die Zuständigkeit des 
Bundesrats für die Erledigung von Thronfolgestreitig- 
keiten begründet. Laband, der diese Frage an sich verneint, 
erkennt dem Bundesrat immerhin die Befugnis zu, nicht nur bei 
Prüfung der Legitimation seiner Mitglieder „inzidenter“ über 
das Thronfolgerecht zu entscheiden, sondern auch auf Grund des 
bundesstaatlichen Verhältnisses einzugreifen, da das Reich bei 
einem Streit um einen deutschen Thron unmittelbar beteiligt sei. 
Vgl. über den Lippischen Erbfolgestreit S. 80. 
Auf jeden Fall handelte daher der Bundesrat innerhalb 
seiner Zuständigkeit, als er durch die Beschlüsse vom 2. Juli 
1885 und 28. Februar 1907 in der braun schweigischen 
Thronfolgefrage die Regierung eines Mitglieds des Hauses 
Braunschweig-Lüneburg mit den Grundprinzipien der Bündnis- 
verträge und der Reichsverfassung für unvereinbar erklärte, so 
lange der Herzog von Cumberland oder ein Mitglied seines 
Hauses Ansprüche auf preußische Gebietsteile (d. h. Hannover) 
erhöben; über die Aufgabe dieses Standpunktes durch den Bundes- 
rat „im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Veränderung 
der Sach= und Rechtslage“ vgl. S. 77. 
Dagegen liegt eine Verfassungsstreitigkeit im Sinne des 
Art. 76 II nicht vor, wenn es sich nicht um Aufrechterhaltung 
des geltenden Verfassungsrechts, sondern um das Streben einzelner 
Bevölkerungskreise nach Verfassungs reformen (Mecklenburg, 
vgl. S 86) handelt. Über die Polenfrage in Preußen siehe 
S. 520. . 
c. Endlich hat der Bundesrat bei Justizverwei— 
gerung einzugreifen (Art. 77; auch dies knüpft an eine 
ehemalige Bundesvorschrift an, Wiener Schlußakte Art. 
XXIX). 
2. Für die zu 1 geschilderten Zwecke sind die in RV. 
Art. 8 genannten 8 Ausschüsse (für: 1. Landheer und
	        
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