248 g 35. Der Reichstag.
n. in den deutschen Schutzgebieten (S. 499).
Die Reichsverfassung (vgl. dagegen PrVU. Art. 49)
kennt ein Begnadigungsrecht des Kaisers nicht. Sofern ein
solches aber auf Grund besonderer Gesetze (s. o.) besteht, beschränkt
es das Begnadigungsrecht der Landesherren (unten S. 556).
5. Dem Kaiser wird von Reichs wegen keine
Zivilliste (S. 562), sondern nur ein sog. Disposi-
tionsfonds zu Gnadenbewilligungen gewährt (die der
Forderungspfändung nicht unterliegen, DJ Z. 13 798).
8 35. Der Reichstag.)
a. Natur des Reichstags.
Der Reichstag ist, im Gegensatze zum Bundesrat,
eine Vertretung des gesamten deutschen Volkes;
NRWV. Art. 29: „Die Mitglieder des Reichstags sind Ver-
treter des gesamten Volkes und an Aufträge und In-
struktionen nicht gebunden“ (Verbot des „imperativen
Mandats“, ähnlich schon Pr Vll. Art. 83). Hieraus folgt,
daß die Teilnahme am Reichstag kein Mitgliedschaftsrecht
des Einzel staats als solchen ist. Daher ist auch El-
saß-Lothringen von vornherein im Reichstage vertreten
gewesen. In folgerichtiger Durchführung der Vertretung
des gesamten Volkes ist durch RG. vom 24. Februar
1873 (oben S. 202) die itio in partes für den Reichstag
beseitigt worden, während sie für den Bundesrat noch
besteht loben S. 243).
Durch Art. 29 wird nicht eine „Stellvertretung“ oder
„gesetzliche Vertretung“ (so Bornhak) des Volks, das ja kein
Rechtssubjekt ist, begründet. In der realen Politik hat sich,
wie schon S. 87 angedeutet, das in Art. 29 außfgestellte Ideal
nicht durchführen lassen. Teils nationale und konfessionelle
Fragen, namentlich aber die wirtschaftlichen Kämpfe haben die
Gruppierung der Abgeordneten nach politischen Parteien be-
wirkt, und die organisierten Vereinigungen dieser politisch Gleich-
gesinnten im Parlamente (Fraktionen) spielen in der inneren
Politik eine wesentliche Rolle, wenngleich der Begriff der Fraktion
z. B. weder in der NV. noch in der Geschäftsordnung des Reichs-
tags (S. 255) anerkannt ist. Im Reichstage werden im Anschluß
an § 22 der Gesch O. zu einer Fraktion im Sinne der Berück-
sichtigung bei Bildung des „Seniorenkonvents“ (d. h. der Ver-
*) Literatu Jungheim, Reichstagshandbuch (12);
Perels, Das autonome Reichstagsrecht (03).