8 35. Der Reichstag. 253
hat der Reichstag auch bei der alljährlichen Fest—
stellung des Reichshaushaltsetats mitzuwirken (RB. Art.
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Die Tätigkeit des Reichstags tritt in vier
verschiedenen Formen auf.
1. Für einzelne Akte ist seine Mitwirkung erfor-
derlich, d. h. der Akt wird erst durch Zustimmung des
Reichstags rechtsgültig (Gesetz im formellen Sinne, S. 145),
so bei der Reichsgesetzgebung (WB. Art. 5) einschließ-
lich der Feststellung des Reichshaushaltsetats (Art. 69,
das Etatsjahr läuft im Reiche, wie in Preußen, vom
1. April bis zum 31. März) und der Aufnahme von An-
leihen (Art. 73).
2. Mitunter ist die Genehmigung genügend,
d. h. der vorgenommene Akt ist schon vor der Zustimmung
des Reichstags rechtsgültig, die letztere muß aber einge-
holt werden.
a. Mitwirkung und Genehmigung verhalten sich also wie
vorherige Zustimmung (Einwilligung) und nachträgliche Zu-
stimmung Genehmigung) nach BEG. 83 183, 184; vgl.
hierzu S. 245.
8. Gen ehmigung ist erforbderlich bei Eingehung
von Verträgen, die einen der Gesetzgebung unterliegenden Gegen-
stand regeln (RV. Art. 11 III, oben S. 245). Ferner ist bei
Übertragung des Verordnungsrechts an einzelne Regierungsorgane
in manchen Reichsgesetzen vorgeschrieben, daß sie dem Reichstage
vorzulegen sind, sei es zur Genehmigung mit der Wirkung,
daß sie bei Versagung entweder von selbst außer Kraft treten
(z. B. EG.8 PO. § 6 1) oder außer Kraft zu setzen sind (z. B.
GewO. 8§ 56 b ll), sei es zur Kenntnisnahme mit der Be-
fugnis des Reichstags, die Außerkraftsetzung zu verlangen (z. B.
Nahrungsmittel G. 8 7), oder endlich zur Kenntnisnahme schlechthin
(z. B. Gend. 8 139 4).
3. Zuweilen hat der Reichstag das Recht der Kennt—
nisnahme, d. h. ein Recht darauf, über die Tätigkeit
der Regierungsorgane durch deren Berichte unterrichtet
zu werden (z. B. Finanz G. vom 3. Juli 1913 8 8 II:
Bericht über die Bestände des silbernen und goldenen
Reichskriegsschatzes).
4. Nach N. Art. 23 hat der Reichstag das Recht
der „Initiative“ bei Gesetzesvorschlägen und der
Überweisung der an ihn gerichteten Petitionen an
den Bundesrat oder den Reichskanzler.