Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

256 835. Der Reichstag. 
zelnen Artikel; c. allgemeine und Einzeldiskussion, Abänderungs- 
vorschläge und Abstimmung über den ganzen Gesetzentwurf), an- 
dere Anträge in einer Beratung erledigt (GeschO. 88 18 ff.). 
Die Abstimmungen geschehen durch Aufstehen oder Sitzenbleiben, 
bei unsicherem Ergebnis durch Zählung („Hammelsprung“, 
d. h. Eintreten der mit „Ja“ oder „Nein“ stimmenden Abgeord- 
neten durch zwei verschiedene Türen des Sitzungssaals); auf 
Antrag von mindestens 50 Mitgliedern erfolgt „namentliche 
Abstimmung“ durch „Abstimmungskarten“". 
4. Die Verhandlungen des Reichstags, über welche 
ein als öffentliche Urkunde anzusehendes Sitzungsproto- 
koll und außerdem stenographische Berichte ausgenommen 
werden, sind gemäß RV. Art. 22 öffentlich; ein Aus- 
schluß der Offentlichkeit ist unzulässig. § 36, 2 Gesch O. 
betr. geheime Sitzungen entbehrt daher nach der herr- 
schenden Ansicht der Giltigkeit. Nicht öffentlich sind die 
Kommissionssitzungen. 
Es hat bisher nur eine einzige geheime Sitzung — am 
17. März 1900 — stattgefunden. 
5. Nach Art. 9 kann niemand gleichzeitig Mitglied. 
des Bundesrats und des Reichstags sein. Diese „In- 
kompatibilitä"“ rechtfertigt sich durch die Erwä- 
gung, daß die Bundesratsbevollmächtigten Vertreter ihrer 
Regierungen und an deren Instruktion gebunden sind. 
(RV. Art. 6), während die Reichstagsmitglieder nach 
NV. Art. 29 „Vertreter des gesamten Volks und an 
Aufträge und Instruktionen nicht gebunden“ sind. 
e. Persönliche Stellung der Abgeord- 
neten. 
1. Die Reichstagsabgeordneten sind privilegiert, 
einmal bezüglich der Unverantwortlichkeit für 
ihre berufsmäßigen Außerungen (sog. Immunität, 
RV. Art. 30, deren Geltung für das ehrengerichtliche und. 
zivilrechtliche Verfahren streitig ist), anderseits hinsichtlich 
der Strafverfolgung und der Verhaftung (N. 
Art. 31). Während der Sitzungsperiode (also auch wäh- 
rend der Dauer einer Vertagung) kann kein Reichstags- 
abgeordneter ohne Genehmigung des Reichstags zur Straf- 
oder Disziplinaruntersuchung gezogen oder verhaftet wer- 
den, es sei denn, daß er bei Ausübung der Tat oder im 
Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird. Auf Ver- 
langen des Reichstags wird ferner jedes bereits einge- 
 
	        
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