268 § 37. Die Reichsbehörden.
daß er gleichzeitig preußischer Minister und Ministerprä-
sident ist.
Nach G. Meyer, Anschütz und Bornhak muß sogar der
Reichskanzler stets preußischer Minister der auswärtigen Ange-
legenheiten sein. Dies war der Reichskanzler jedenfalls bisher
stets; von kurzen Unterbrechungen (1873, 1894) abgesehen, war
er aber auch immer preußischer Ministerpräsident (S. 601). Zur
Stärkung seiner Stellung im preußischen Staatsministerium wer-
den außerdem gewöhnlich einige Chefs der obersten Reichsämter
zu Mitgliedern des Staatsministeriums ernannt.
Der Reichskanzler ist ferner:
b. oberster Reichsbeamter. Die Kaiserlichen
Anordnungen und Verfügungen bedürfen, soweit sie im
Namen des Reichs erlassen sind, der Gegenzeichnung des
Reichskanzlers, welcher dadurch (S. 92) dem Bundesrat
und dem Reichstage gegenüber die Verantwortlichkeit über-
nimmt (RV. Art. 17), als „administrative“ gegenüber
dem Kaiser und als „parlamentarische“ gegenüber dem
Reichstage.
Dagegen bedürfen keiner „Kontrasignatur“ Erlasse
oder sonstige Akte (Reden, Schreiben, Telegramme) des Kaisers,
die sich nicht als Regierungshandlungen im Namen des Reichs,
sondern als persönliche Meinungsäußerungen darstellen. Streitig.
ist, ob eine die Entlassung des Reichskanzlers verfügende Kaiser-
liche Verordnung der Gegenzeichnung bedarf, ferner ob sie auch
von dem neuernannten Reichskanzler oder einem Stellvertreter
gegengezeichnet werden kann. Über Armeebefehle und Armee-
verordnungen s. unten S. 289.
Ursprünglich war der Reichskanzler lediglich als preußischer
Kommissar gedacht, der, instruiert vom preußischen Minister-
präsidenten, den Vorsitz im Bundesrate führen sollte. Erst durch
die Aufnahme der Verantwortlichkeit des Kanzlers im Art. 17
erhielt er die Stellung eines Reichsministers. Die Verantwort-
lichkeit des Reichskanzlers ist eine rechtliche, nicht bloß eine
politische und moralische. Zwar fehlt es an Vorschriften, welche
eine strafrechtliche Verfolgung des Reichskanzlers wegen Ver-
letzung seiner Nerantwortlichtelt ermöglichen; das Institut der-
Ministeranklage (S. 171 u. S. 596) ist dem Reichsrecht unbekannt.
Aber zivilrechtlich könnte z. B. auf Grund des Reichsbeamten-
haftungsG. vom 22. Mai 1910 das Reich für eine durch eine
vom Reichskanzler gegengezeichnete Kaiserliche Verordnung herbei-
geführte Vermögensschädigung verantwortlich gemacht werden.
8. Der Reichskanzler ist vom Kaiser zu er-
nennen.
Er kann sich beim Vorsitz im Bundesrate durch jedes.
andere schriftlich ermächtigte Bundesratsmitglied ver-