Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

§ 37. Die Reichsbehörden. 269 
treten lassen (Art. 15); im Falle der Verhinderung 
Preußens (d. h. aller seiner Bevollmächtigten) muß aber 
dem bayerischen Vertreter der Vorsitz übertragen werden 
(Schlußprotokoll vom 23. November 1870 IX); gewöhnlich 
geschieht dies aber schon bei Verhinderung des Reichskanz- 
lers und seines allgemeinen Stellvertreters. Die Möglich- 
keit einer sonstigen Stellvertretung mit eigener 
Verantwortlichkeit des Stellvertreters ist erst durch ein 
RG. vom 17. März 1878 geschaffen worden. Darnach kann 
der Kaiser für die Fälle der Verhinderung (auch Über- 
lastung) des Reichskanzlers auf dessen Antrag sowohl einen 
allgemeinen Stellvertreter (Vizekanzler) 
ernennen (in der Praxis den Staatssekretär des Reichs- 
amts des Innern), als auch die Vorstände der obersten 
Reichsbehörden mit der Stellvertretung für die Angelegen- 
heiten ihres Geschäftskreises betrauen. 
Der Reichskanzler gehört (wie die Staatssekretäre) zu den- 
jenigen Beamten, welche jederzeit einstweilig in den Ruhestand 
versetzt werden und jederzeit ihre Entlassung erhalten und fordern 
können (RBBG. 8§8 25, 35, S. 279). 
Der Reichskanzler soll nicht zum Schöffen oder Geschwo- 
renen gemacht (GV. 8§§ 34, 85) und darf nur mit Genehmi- 
gung des Kaisers außerhalb seines Amtssitzes oder Aufenthalts- 
orts als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden (ZP.6 
§§ 382, 402, StpO. 8§8§ 49, 72, Z. I § 86 5). 
2. Die Reichsverwaltungsbehörden. 
Bei der Gründung des Norddeutschen Bundes wurde 
1867 als einzige Oberbehörde unter dem Bundezkanzler 
das Bundeskanzleramt mit 3 Abteilungen (Zen- 
tralabteilung, Generalpostamt, Generaldirektion der Tele- 
graphen) geschaffen. Als dem Bundes-, seit 1871 Reichs- 
kanzleramt immer mehr Geschäfte zuwuchsen, wurden 
allmählich die einzelnen Abteilungen zu selbständigen 
Reichsämtern gemacht („oberste Reichsbehörden“"“, 
denen wieder „höhere Reichsbehörden“ unterge- 
ordnet sind, vgl. Z. II Anh. IV Ca 2 8). 1879 ist das 
Reichskanzleramt selbst zum Reichsamt des Innern umge- 
wandelt, und der Reichskanzler leitet kein Reichsamt mehr 
unmittelbar. Den Verkehr des Reichskanzlers mit den 
Chefs der einzelnen Amter vermittelt die Reichs- 
kanzlei.
	        
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