Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

§ 45. Handwerkswesen 349 
Dies ist geschehen in Preußen für Bühnenangehörige durch 
MinErl. vom 19. August 1910, für Schiffsleute durch die Regie- 
rungspräsidenten, im übrigen durch die Ortspolizeibehörden 
(Min Erl. vom 17. Juni 1910). 
2. Die Taxen für Apotheker können durch die 
Landeszentralbehörden festgesetzt werden (GewO. 8 80 l); 
tatsächlich besteht auf Grund von Bereinbarungen der 
Einzelstaaten eine einheitliche deutsche Arzneitaxe. 
Die Bezahlung der Arzte ufw. (§ 29 I, S. 339) bleibt 
dagegen der freien Vereinbarung überlassen, und nur 
als Norm für Streitfälle mangels einer Vereinbarung 
kann die Zentralbehörde Taxen festsetzen (8 80 II). 
In Preußen gilt z. B. für #Arzte und Zahnärzte, und 
zwar richtiger Ansicht nach auch für ärztliche Autoritäten, die 
GebO. vom 15. Mai 1896 mit Nachtrag vom 13. März 1906. 
Bezüglich der Hebammen vgl. PrG. vom 10. Mai 1908. 
3. Da die Taxen für ÄArzte nur mangels einer Ver- 
einbarung im Streitfall anwendbar sind, so ist die Ueber- 
schreitung der Arztetaxe nicht strafbar, wohl 
aber die Überschreitung der sonstigen, durch die Obrigkeit 
oder durch Anzeige bei ihr festgelegten Taxen (GewO. 
8 148 8, Stellenverm G. § 124); die Vereinbarung einer 
höheren Vergütung ist letzterenfalls zudem nach BG. 
§ 134 nichtig. Dagegen ist eine Ermäßigung der nach 
Gew O. 88 73—80 1 Eben 1, 2) festgestellten Preise und 
Taxen zulässig (88 79, 80 I; vgl. auch BGB. 88 612 II, 
632 II, 653 II). 
§ 45. Handwerkswesen. 
a. Die Innungen. 
Die Innungen (Zünfte), d. h. Vereinigungen von Personen, 
die in einem Bezirke das gleiche Gewerbe betreiben, waren im 
Mittelalter und bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts öffentlich- 
rechtliche Verbände. Unter dem Einflusse der die spätere Ent- 
wicklung beherrschenden manchesterlichen Lehre (S. 163), welche 
die freie Vereinigung unter Ablehnung jedes Zwanges und jeder 
Staatsaufsicht verlangte, waren die Innungen zu gewerblichen 
Privatvereinen geworden. Auch nach der auf dem gleichen 
Standpunkt völliger Gewerbefrekheit stehenden Reichsgewerbe- 
ordnung vom 21. Juni 1869 waren die Innungen lediglich 
Privatvereime von Fachgenossen. In neuester Zeit hat die 
Reichsgesetzgebung jedoch zwecks Hebung des sehr gesunkenen 
Handwerkerstandes den neu entstehenden Innungen („neue In- 
nungen“) den Charakter öffentlich-rechtlicher Verbände mit einigen
	        
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