360 § 46. Gewerbliche Arbeiter.
schlossen, die der Sitz wirtschaftlicher und politischer Agita-
tion geworden sind.
a. Die Arbeitnehmerverbände, die wegen ihrer
in der Regel nach Berufszweigen erfolgenden Zusammenfassung
auch als Gewerk schaften oder Berufsvereins be-
zeichnet werden, führen auf die englischen, Ende des 18. Jahr-
hunderts entstandenen Trades-Unions zurück, die seit Auf-
hebung des Koalitionsverbots (18214) eine große Verbreitung
und durch die Trades-Unions-Act (1871) die Rechtsfähigkeit durch
gerichtliche Eintragung erlangten. Sie hatten anfänglich nur
ökonomische, später auch politische, aber in der Mehrheit nicht
sozialdemokratische Ziele.
b. In Deutschland sind nach der politischen Richtung
folgende Arten der Gewerkschaften zu unterscheiden:
1) Die (liberalen) „Hirsch-Dunckerschen Ge-
werkvereinece“ (seit 1869 — in Berlin — ins Leben ge-
rufen von den Fortschrittlern Max Hirsch, Franz Tuncker,
Schulze-Delitzsch). Organisiert im „Verband der Deutschen Ge-
werkvereine (Hirsch-Duncker)“ unter einem Zentralrat.
2) Die (so zialdemokratischen) „Freien Ge-
werkschaften“, seit 1868 (zuerst in Hamburg) unter einer
„Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands“ in Ber-
lin. Von ihnen haben sich die der einheitlichen Organisation
widerstrebenden (vielfach anarchistischen Ideen zugänglichen) Lo-
kalisten abgesondert.
3) Die Christlichen Gewerkschaften sind auf re-
ligiöser, teils rein katholischer (Zentrum), teils rein evangeli-
scher (Christlich-Soziale), teils interkonfessioneller Grundlage be-
ruhende Berufsvereinigungen. Um sie dreht sich der Kampf der
schärferen „Berliner“" mit der milderen „Cölner“ Richtung (S. 264),
die Zulässigkeit des Beitritts von katholischen Arbeitern zu nicht
rein katholischen Gewerkschaften. Daneben gibt es „Evange-
lische“ und „Kat holische Arbeiterverein e“ mit Vor-
wiegen der religiösen und Zurücktreten der wirtschaftlichen und
politischen Tendenzen.
„Gelbe Gewerkschaften“ („Wirtschaftsfriedliche
Verbände“) sind die jüngsten Berufsvereine. Sie bezwecken nicht
den Kampf, sondern die Verständigung mit den Arbeitgebern,
werden von ihnen unterstützt und sind vielfach nicht örtlich, son-
dern nach Betrieben zusammengefaßt (in Berlin organisiert im
„Gelben Arbeiterverband“).
5) Die „unabhängigen Berufsvereine“ halten
sich ganz selbständig, z. B. der seit 1866 bestehende Unterstützungs-
verein Deutscher Buchdrucker, der den ersten Tarifvertrag zustande
gebracht hat (S. 363). .
ie vorstehenden Organisationen hatten Ende 1912 Mitglieder
(und Vermögen) etwa: Gewerkvereine 109 000 (4.5 Mill.), Freie Ge-
werkschaften 2 500 000 (80 Mill.), Christliche Gewerkschaften 350 000
(8.5 Mill.), Gelbe Gewerkschaften 230 000 (2.5 Mill.)