Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

458 § 61. Der Reichshaushalt. 
zu tragen. Vgl. G. § 22 8,6) und als dritte Anlage neuerdings 
der „Besoldungsetat für das Direktorium der Reichsversicherungs- 
anstalt für Angestellte auf das Rechnungsjahr.... (die Aus- 
gaben trägt aber die Reichsversicherungsanstalt, Angest VG. 
8 102 II—). 
Wegen der Haushaltsetats für die Reichslande und die 
Schutzgebiete vgl. S. 484, 497. 
3. Die Bedeutung des Etatsgesetzes 
besteht vor allem darin, daß die Regierung, sofern 
sie sich innerhalb des Voranschlags der einzelnen Po- 
sitionen hält, von der Verantwortlichkeit gegenüber dem 
Bundesrat und Reichstage frei wird. 
a. Die auf Anleihe beruhenden Titel und die Dispo- 
sitionsfonds gelten in der Regel als unüberschreitbar. 
Dagegen sind im übrigen Abweichungen von den 
Ansätzen des Etats, wie in Wirklichkeit unvermeidlich, so 
auch unter gewissen Voraussetzungen zulässig. 
Man unterscheidet im einzelnen: 
a. finanzielle (quantitative) Abweichungen, d. h. Mehr- 
oder Mindereinnahmen und -ausgaben. Die Mehrausgaben, 
auch als Etatsüberschreitungen i. e. S. oder überetats- 
mäßige Ausgaben bezeichnet, bedürfen der Genehmigung des 
Bundesrats und des Reichstags (nicht notwendig in Gesetzes- 
form), wenn sie auf dem Willen der Regierung beruhen, also 
nicht durch davon unabhängige tatsächliche Verhältnisse veran- 
laßt sind; ist dagegen letzteres der Fall, so kann der Genehmigung 
nur formelle Bedeutung beigemessen werden. Die Genehmigung 
ist auch dann erforderlich, wenn den Etatsüberschreitungen bei 
andern Titeln Ersparnisse entsprechen, es sei denn, daß die 
„Übertragbarkeit“ zwischen verschiedenen Titeln ausgesprochen ist. 
Letzteres kann auch für zeitliche Abweichungen vom Etat, also 
von einem Jahr auf das andere, geschehn. über die Genehmi- 
gung von Etatsüberschreitungen bei Einnahmen aus Ver- 
äußerungen (§ 10 des R. vom 25. Mai 1873) s. oben S. 448. 
b. Materielle (Nqualitative) Abweichungen können zu- 
nächst vorkommen durch Nichterhebung etatsmäßiger Einnahmen 
(z. B. Nichtbegebung einer Anleihe) oder Erhebung nichtetats- 
mäßiger Einnahmen (z. B. durch Schenkung). In diesen 
Fällen ist regelmäßig eine Genehmigung durch Bundesrat 
und Reichstag nicht nötig (vgl. RöS. vom 11. November 
1871 § 2, WehrbeitragsG. 8 69 1I); Ausnahmen enthalten auch 
hier wieder § 10 des RE. vom 25. Mai 1873 und für außer- 
etatsmäßige Einnahmen bei Umgestaltung oder Schleifung deut- 
scher Reichsfestungen Art. VII des RG. vom 30. Mai 1873. Für 
die Nichtleistung etatsmäßiger Ausgaben ist die Regierung staats- 
rechtlich verantwortlich, soweit sie durch andere Gesetze rechtlich 
verpflichtet war (z. B. Pensionszahlung), und endlich ist die
	        
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