488 8 63. Der gegenwärtige Rechtszustand in Elsaß-Lothringen.
halter geführt wird, der die Bundesratsbevollmächtigten ernennt
und instruiert. Darin und in den Bestimmungen, daß das Ver-
fassungsG. nicht durch die Landesgesetzgebung, wohl aber im
Wege der Reichsgesetzgebung aufgehoben oder abgeändert werden
kann, daß ferner das Reich sich die Eisenbahnhoheit vollständig
vorbehalten hat, zeigt sich die unselbständige Natur Elsaß-Lothrin=
gens, das über seine Geschitke nur in den von der Reichsgesetz-
gebung ihm zugewiesenen Grenzen selbst bestimmen kann und auch
insoweit gegen Eingriffe der Reichsgesetzgebung nicht gesichert ist.
Elsaß-Lothringen ist nicht Bundesstaat, sondern
Reichsland, aber mit weitgehender Autonomie.
2. Die Bestimmung in § 1 des Verfass G. (überein-
stimmend mit § 3 des RG. vom 9. Juni 1871), wonach
die Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen vom Kaiser aus-
geübt wird, macht diesen nicht zum Landesherrn, ent-
hält vielmehr nur eine Delegation der Staatsgewalt
seitens ihres eigentlichen Trägers, der 25 Regierungen.
Mit Recht hat daher das Reichsgericht (ogl. RSt. 10 312)
entschieden, daß ein Nicht-Preuße, der in Elsaß-Lothringen ein
Mitglied des preußischen Königshauses beleidigt, nicht auf Grund
von StGB. 8 97 (Beleidigung eines Mitgliedes der landesherr-
lichen Familie des Aufenthaltsorts), sondern nur auf Grund
von 8§88 185 ff. (gewöhnliche Beleidigung) verfolgt werden kann,
denn das preußische Königshaus ist nicht die „landesherrliche
Familie“ von Elsaß-Lothringen.
3. Es ergibt sich demnach: Subjekt der Staats-
gewalt im Reichsland ist das Reich, oberstes Organ
der Staatsgewalt ist der Kaiser.
4. In vielen Beziehungen wird freilich das Reichs-
land wie ein Bundesstaat behandelt, „es gilt (im Sinne
der betreffenden Bestimmungen) als Bundesstaat“. So
jetzt in RV. Art. 6 a (Bundesstaat i. S. der Art. 6 II
7, 8, nicht aber zB. i. S. des Art. 19, so daß eine
Bundesexekution gegen das Reichsland nicht denkbar ist;
a. M. Arndt, der als Beispiel den Fall anführt, daß
Elsaß-Lothringen wegen des Landtags seine Pflichten
gegen das Reich nicht erfüllt). Nach dem Reichs= und
StaatsangehörigkeitsG. vom 22. Juli 1913 § 2 I gilt
Elsaß-Lothringen ebenfalls als Bundesstaat; kraft dieser
Fiktion ist mithin eine besondere elsaß-lothringische
Staatsangehörigkeit anzunehmen.
In finanzieller Beziehung besitzt das Reichsland
selbständige Rechtspersönlichkeit. Dies ist zwar auch bei