Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

492 8 65. Verfassung und Verwaltung in den Schutzgebieten. 
Kolonialinstituts (1908), der ersten deutschen kolonialen Hoch- 
schule, ist die wachsende Bedeutung der Schutzgebiete auch im 
Mutterland äußerlich in die Erscheinung getreten. 
§ 65. Verfassung und Verwaltung in den Schutzgebieten. 
a. Geltung der Reichsver fassung. 
Die RV. ist nicht, wie in Elsaß-Lothringen (S. 479), 
auch in die Schutzgebiete ausdrücklich eingeführt worden. 
Sie hat also dort keine territoriale Geltung. Wenn trotz- 
dem die für die Schutzgebiete grundlegenden Rechts- 
normen, z. B. das Schutzgebiets G. und das Kolonialbe- 
amten G., in den Formen der Reichsgesetzgebung, d. h. nach 
NV. Art. 2 ff., erlassen worden sind, so hat man dies 
auf Gewohnheitsrecht zurückführen wollen (v. Hoffmann). 
Tatsächlich besteht indessen eine Schwierigkeit nicht, auch 
wenn man annimmt, daß RV. Art. 41 („Bestimmungen 
über die Kolonisation“) lediglich die Zuständigkeitsgrenze 
zwischen Reich und Einzelstaaten zieht und nicht die Zu- 
ständigkeit des Reichs für die Schutzgebietsgesetzgebung 
begründet. Vielmehr gilt die RV. für alle Handlungen 
des Reichs „in der ganzen Welt“; das Reich kann daher 
auch seine Herrschaft über die deutschen Schutzgebiete nur 
in den reichsverfassungsmäßigen Formen zur Geltung 
bringen (Laband, Arndt). 
b. Die Verfassung der Schutzgebiete. 
Die Grundlage des Verhältnisses der Schutz- 
gebiete zum Deutschen Reiche bildet das Reichsgesetz vom 
17. April 1886, abgeändert durch RG. vom 25. Juli 
1900 und neu verkündet als „Schutzgebietsgesetz“ 
am 10. September 1900 („Sch GG.“) mit Anderungs- 
gesetzen vom 16. Juli 1912 und 22. Juli 1913. 
1. Nach § 1 übt der Kaiser im Namen des 
Reichs, mithin nicht als Landesherr kraft eigenen Rechts, 
die Schutzgewalt in den deutschen Schutzgebieten aus. 
Diese Schutzgewalt ist zum mindesten in ihrer heutigen 
Ausgestaltung souveräne Staatsgewalt mit territorialem 
Charakter. Doch werden in Kamerun, Togo, Samoa, 
dagegen nicht mehr in Südwestafrika (seit dem großen 
Aufstande 1904—1907) von den Häuptlingen noch ge- 
wisse Herrschaftsrechte ausgeübt.
	        
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