Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

516 867. Von der Ausbildung des absoluten Staates usw. 
mit Einschluß der Besteuerung betreffen“ (über die weitergehende 
Kgl L. vom 17. Januar 1820 wegen des Staatsschuldenwesens 
vgl. oben S. 388). Zur Ausführung dieser Verheißung wurde 
1817 eine Verfassungskommission nach Berlin berufen, aber 
bis zur Erstattung der Gutachten von 3 in die Provinz entsandten 
Sendboten vertagt. Im gleichen Jahre begann jedoch infolge 
der durch das Wartburgfest (Herbst 1817) hervorgerufenen Be- 
unruhigung eine Reaktion, die das modern-konstitutionelle System 
als angebliches Erzeugnis der Revolution in Gegensatz zu der 
ständischen Verfassung stellte, zu den Karlsbader Beschlüssen 
(1819, S. 191) und zur Abschwächung des Art. XIII der Deutschen 
Bundesakte in der Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820 Art. LV 
führte. Hier ist ausgesprochen, daß es den souveränen Fürsten 
der Bundesstaaten „srüberlassen“ bleibe, die Frage der Ein- 
führung einer landständischen Verfassung als innere Landesange- 
legenheit gu ordnen. Dementsprechend ordnete in Preußen das 
Gesetz vom 5. Juni 1823 die Errichtung nur von Provinzial- 
ständen und auch nur mit votum consultativum, nicht aber der 
in der Verordnung vom 22. Mai 1815 verheißenen National-= 
vertretung an. Eine solche wurde erst angebahnt durch das 
Königl. Patent vom 3. Februar 1847, durch welches die (8) 
Provinziallandtage zu einem Vereinigten Landtage nach 
Berlin berufen wurden, aber ebenfalls nur mit beratender Stimme 
(außer bei neuen Steuern und Anleihen; vgl. über die Ostbahn- 
vorlage S. 388). Der Vereinigte Landtag bestand aus der 
Herrenkurie (Fürsten, Grafen und Herren) und der Kurie 
der Stände (Abgeordnete der Ritterschaft, der Städte und 
Landgemeinden). In der Thronrede zur Eröffnung des ersten 
Vereinigten Landtags (11. April 1847) sprach Friedrich Wil- 
helm IV. das berühmte Wort: „er werde nicht zugeben, daß 
sich zwischen unseren Herrgott im Himmel und dieses Land ein 
beschriebenes Blatt, gleichsam als eine zweite Vorsehung, 
eindränge Die Versammelten seien deutsche Stände im 
althergebrachten Wortsinn, d. h. vor allem Vertreter und Wahrer 
der Rechte der Stände. Nicht sei es ihr Beruf, Meinungen zu 
repräsentieren“". Der Unterschied zwischen dem neuständischen 
Abgeordneten und dem „Vertreter des ganzen Volks“ i. S. des 
konstitutionellen Staatsrechts (ugl. Pr VUu. Art. 83) tritt hier 
deutlich hervor. — Nach Ablehnung der Ostbahnanleihe wurde 
der Vereinigte Landtag bereits im Juni 1847 wieder geschlossen. 
2. Neueren Forschungen zufolge wandte sich Friedrich Wil- 
helm IV. schon Anfang März 1848 dem konstitutionellen Ge- 
danken zu, wesentlich aus Gründen der deutschen Politik Preu- 
ßens, das als ständische Monarchie auf die Gefolgschaft des 
deutschen Volkes nicht zählen konnte. Die Proklamation vom 
18. März 1848, die den Vereinigten Landtag auf den 2. April 
einberief, hinderte jedoch den Ausbruch der Märzrevolution 
(18. März 1848) in Berlin nicht. Zum 22. Mai 1848 wurde 
auf Grund eines mit dem Vereinigten Landtage vereinbarten 
Wahlgesetzes vom 8. April 1848, das auf den Grundsätzen des
	        
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