Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

8 70. Das Staatsgebiet. 525 
Geltung überhaupt absprechen. So leitet Fleiner aus den die 
Freiheit und das Eigentum sichernden Verfassungsbestimmungen 
(3z. B. Pr Vu. Art. 5) den vom Gesetzgeber gewollten Rechts- 
grundsatz „der pflichtenfreien Sphäre“ des Untertanen ab; eine 
von der Verwaltungsbehörde oder von den Untertanen betätigte 
abweichende Übung stelle sich daher als Gesetzesverletzung, nicht 
als „gesetzmäßige Verwaltung“ (S. 164) dar. Er gewährt- viel- 
mehr dem Gewohnheitsrechte zur Ergänzung des geschriebenen 
Rechts ausnahmsweise nur da eine Stätte, wo mangels gesetz- 
licher Regelung eine rechtliche Ordnung unabweisbar ist. Die 
herrschende Lehre und die Praxis sind anderer Ansicht: Die 
Observanz, d. h. das in einem begrenzten Kreis ausgebil- 
dete Gewohnheitsrecht, spielt ohne Rücksicht auf die soeben an-ä 
gegebene Beschränkung im öffentlichen Recht eine große Rolle. 
Zahlreich sind die Entscheidungen, die sich mit der observanz- 
mäßigen Abwälzung der Straßenreinigungspflicht von der an sich 
verpflichteten Gemeinde auf die Anlieger befassen (vgl. Re#. 
52 423; 76 113). Mitunter regeln die Sondergesetze auch die 
Zulässigkeit einschlägiger Observanzen: Das PrG. über die Reini- 
gung öffentlicher Wege vom 1. Juli 1912 erhält bestehende Ob- 
servanzen aufrecht und schließt neue contra legem aus (8 3); 
vgl. ferner Pr WasserG## vom 7. April 1913 8§ 113 I. — Über 
die Autonomie der Gemeinden und weiteren Kommnunnalverbände 
s. S. 143, 586. 
I. Das Staatsgebiet und seine Bewohner. 
8 70. Das Staatsgebiet.“) 
a. Umfang des Staatsgebiets. 
Art. 1 der Pr#lI. bestimmt: „Alle Landesteile der 
Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange bilden das 
preußische Staatsgebiet“. Hieraus ergibt sich, daß sämt- 
liche Landesteile des preußischen Staates eine geschlossene 
Einheit bilden: es gibt keine „preußischen Staaten“ 
mehr, sondern nur einen preußischen Staat. 
Altere Gesetze sprechen von den „preußischen Staaten“, 
so insbesondere das ALR. vom 5. Februar 1794 („Allgemeines 
Landrecht für die preußischen Staaten"), aber auch z. B. noch 
das „Allgemeine Berggesetz für die preußischen Staaten“ vom 
24. Juni 1865. Ebenso lautete der Titel der Pr bis zum 
31. Dezember 1906 noch: „Gesetzsammlung für die Königlichen 
Preußischen Staaten“ (geändert durch Allerh. Erlaß vom 24. No- 
vember 1906 in: „Preußische Gesetzsammlung“"). Diese Sprech- 
weise führt darauf zurück, daß dem Kerne der Preußischen 
*) Brecher, Darstellung der territorialen Entwicklung des 
Brandenburgisch-Preußischen Staates von 1415 bis jetzt (18. A.).
	        
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