Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

8 71. Die Bewohner des Staatsgebiets. 533 
ist bereits S. 318 dargelegt. Titel II der Pr Vll. steht dem 
nicht entgegen. Er grenzt nicht sowohl die Inländer 
gegenüber den Ausländern, als vielmehr die Staatsgewalt 
im Verhältnisse zur Freiheit der ihr unterworfenen Per- 
sonen ab (Anschütz). 
Vgl. auch ALR. Einl. 8 41 (soweit öffentlichrechtlich durch 
A#GB#GB. Art. 89 nicht aufgehoben): „Fremde Untertanen 
haben . . , bei dem Betriebe erlaubter Geschäfte in hiesigen 
Landen, sich aller Rechte der Einwohner zu erfreuen, so lange 
sie sich des Schutzes der Gesetze nicht unwürdig machen.“ Ein 
Unterschied wird von manchen (Beutner) noch in der Richtung 
gemacht, daß grundrechtliche Bestimmungen des Titels II zu 
Ungunsten der Preußen in der Regel nur durch Verfassungs- 
änderung, zum Nachteile von Ausländern durch einfaches Ge- 
setz geändert werden können. 
Über die Rechtsstellung der Ausländer im einzelnen vgl. 
S. 317 und S. 548 (Petitionsrecht). 
b. Die Gleichheit vor dem Gesetze. 
1. Wenn die Pr Vll. in Art. 4,1 den Grundsatz auf- 
stellt: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich“, 
so ist damit nicht, wie man wohl mitunter gemeint hat, 
eine Anweisung für den Gesetzgeber, sondern für die- 
jenigen, die das Gesetz anwenden, erteilt: Richter und 
Verwaltungsbeamte sollen die Gesetze gegen jedermann 
gleich anwenden. Das Beamtensteuerprivileg (S. 645) 
oder die verschiedene Regelung der Disziplinarverhältnisse 
der richterlichen und der nichtrichterlichen Beamten (S. 
642) verstößt daher ebensowenig wie die Ostmarkengesetz- 
gebung (S. 520) gegen die Verfassung. 
Aus dem eben entwickelten Grundsatze leitet Fleiner die 
Folgerung ab: die Verwaltungsbehörde, der die Befugnis zur 
Regelung einer Materie auf dem Verordnungswege zustehe, dürfe 
nicht stattdessen durch Einzelbefehle das Erforderliche von Fall 
zu Fall anordnen. Die preußische Praxis (O#G. 49 369) be- 
folgt dagegen die Ansicht, daß im allgemeinen alles, was Gegen- 
stand einer abstrakten Polizeiverordnung (pvgl. S. 671) sein 
könne, unter den sonstigen Voraussetzungen auch Gegenstand 
giner polizeilichen Verfügung für den Einzelfall werden 
nne. 
2. Wirkliche Gleichheit des Gesetzes, d. h. 
gleichförmige Rechtsstellung aller preußischen Staatsan— 
gehörigen, verbürgt PrVU. Art. 4 Satz 2: „Stan— 
desvorrechte (d. h. Vorrechte des Geburtsstandes) 
finden nicht statt“. Dieser Grundsatz ist aber in
	        
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