Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

534 8 71. Die Bewohner des Staatsgebiets. 
Wahrheit nicht zur Durchführung gelangt. Es gibt auch 
heute noch in Preußen — wie in den meisten anderen 
Bundesstaaten — einen privilegierten Stand, den hohen 
Adel. Er umfaßt die Gesamtheit der Familien, die 
entweder jetzt noch souverän sind (in Preußen das 
Königliche Haus, unten J) oder zur Zeit des alten 
Deutschen Reiches souverän waren (die Reichsstandschaft 
hatten), aber — namentlich durch die Rheinbundakte 
und spätere Vorgänge — ihre Souveränität verloren 
hatten: „Mediatisierte“ (unten a, soweit der Verlust 
auf den kriegerischen Ereignissen von 1866 beruht, „De- 
possedierte“ genannt, unt. 8). 
a. Die Mediatisierten. 
Art. XIV der deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 
gewährleistete „den im Jahr 1806 und seit dem mittelbar ge- 
wordenen ehemaligen Reichsständen und Reichsangehörigen in 
Gemäßheit der gegenwärtigen Verh iltnisse in allen Bundesstaaten 
einen gleichförmig bleibenden Rechts-Zustand“; dazu rechnete Art. 
XIV: die Ebenbürtigkeit, die Stellung der privilegiertesten 
Klasse, insbesondere in Ansehung der Besteuerung, und die Auf- 
rechterhaltung aller ihrer, „nicht zu der Staatsgewalt und den 
höheren Regierungsrechten gehörenden“ Rechte und Vorzüge, 
insbesondere Freizügigkeit, Autonomie über ihre Güter und 
Familienverhältnisse (jedoch sollen die diesbezüglichen Verfügun- 
gen „dem Souverän vorgelegt und bey den höchsten Landes- 
stellen zur allgemeinen Kenntnis und Nachachtung gebracht wer- 
den“), privilegierten Gerichtsstand, Befreiung von der Militär- 
pflicht, „Ausübung der bürgerlichen und peinlichen Gerechtig- 
keitspflege“ mindestens in erster Instanz und die Polizei sowie 
die Aufsicht in Kirchen-, Schul= und Stiftungssachen auf ihren 
Besitzungen. 
Dem ehemaligen — nicht reichsständischen, also nie sou- 
verän gewesenen, sondern nur reichsunmittelbaren, d. h. keinem 
Landesherrn untertan gewesenen — Reichsadel wurden eben- 
falls Freizügigkeit, Autonomie, Anteil an Landstandschaft, Pa- 
trimonialgerichtsbarkeit, Ortspolizei, Kirchenpatronat und privi- 
legierter Gerichtsstand zugesichert; „diese Rechte werden jedoch 
nur *int pder Vorschrift der Landesgesetze ausgeübt“. Vgl. 
Nach Wiederherstellung der Bundesverfassung „dekla- 
rierte“ zur Beseitigung dieses Eingriffs in die bundesver- 
traglich garantierten Rechte des hohen Adels ein PrE. vom 
10. Juni 1854, das auch in den 1 erworbenen Provinzen 
gilt (streitig), die Pr Vu. dahin, daß sie einer Wiederherstel- 
lung derjenigen durch die Gesetzgebung seit dem 1. Januar 1848 
verletzten Rechte und Vorzüge nicht entgegenstehe, welche den 
mittelbar gewordenen deutschen Reichsfürsten und Grafen, deren 
 
	        
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