§ 71. Die Bewohner des Staatsgebiets. 535.
Besitzungen 1815 und 1850 der Monarchie einverleibt worden
seien, auf Grund ihrer früheren staatsrechtlichen Stellung im
Reich und der von ihnen besessenen Landeshoheit zuständen,
sofern die Beteiligten sie nicht ausdrücklich vertraglich auf-
gegeben hätten. Zwei Kgl. Verordnungen vom 12. November
1855 ordneten demgemäß die Wiederherstellung des privilegierten
Gerichtsstands und zur sonstigen Ausführung der Wiederherstel-
lung Verhandlungen über die jedem einzelnen Hause zustehen-
den Rechte an. Der Streit zwischen der Regierung und dem
Abgeordnetenhaus über die Gültigkeit der mit fast sämtlichen.
Standesherren geschlossenen „Rezesse“ wurde durch das Pr.
vom 15. März 1869 beigelegt, das die Mittel zur Erfüllung.
der in ihnen auf die Staatskasse übernommenen Verbindlich-
keiten bereitstellte, anderseits aber die Ausführung der Wieder-
herstellung fortan nur im Wege besonderer Gesetze zuließ;
socche ergingen noch unter dem 27. Juni 1875 und 25. Oktober
1878.
Die Vorrechte') der standesherrlichen Fa-
milien bestimmen sich jetzt nach Reichs= und in zweiter Linie
nach Landesrecht. Da das heutige Deutsche Reich nicht der
Rechtsnachfolger des Deutschen Bundes ist (S. 200), bedarf die
Landesgesetzgebung auf den reichsgesetzlich nicht geregelten Ge-
bieten zu etwaigen Beschränkungen der standesherrlichen Privi-
legien nicht der Zustimmung des Reichs. Die Mediatisierten
(vgl. für Preußen Bornhak, Preuß. Staatsrecht I § 51) ge-
nießen hauptsächlich folgende Vorzüge:
a. nach Reichsrecht: 1) die beschränkte Autonomie
(EGBGB. Art. 58, L. I 8 3 b 1 8), 2) den privilegierten Ge-
richtsstand in dem landesgesetzlich bestimmten Umfang (EG.
§ 7, FG. 8§ 189, Z. 1 § 11 b 2), J die Befreiung von der
Wehrpflicht und von der Quartierleistungslast im Frieden (RG.
vom 9. November 1867 § 1, vom 25. Juni 1868 § 4);
b. nach preußischem Landesrecht: 1) die Zu-
gehörigkeit zum hohen Adel und demzufolge das Recht der Eben-
bürtigkeit (Kgl#. vom 21. Juni 1815, vgl. ferner L. 1 § 12
k 1 a und RG. 2 145), 2) gewisse Ehrenrechte (Titel, Wappen,
Ehrenwort „Herr“, Gebrauch des pluralis maiestatis, Kirchen-
gebet usw., Ausführungsinstruktion vom 30. Mai 1820 88 6 ff.),
die nach der Beseitigung durch die Pr VI. in den Rezessen
(s. oben) großenteils wieder hergestellt wurden, 3) Ge-
meindeeinkommensteuerbefreiung gemäß KommAbgG. 8 40 III
(wegen der Kreisabgaben vgl. dagegen PrG. vom 23. April
1906 § 7 VI; die Befreiung von der Staatseinkommensteuer
wurde gegen Entschädigung durch PrG. vom 18. Juli 1892
beseitigt), 4) das Recht auf Anhörung vor der Ernennung
*) Rehm, Die juristische Persönlichkeit der standesherr-
lichen Familie (11); Schücking, Sonderstellung der Mediati-
sierten (09).