Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

8 75. Der Landtag. 581 
57) treten die Kammern zu einer vereinigten 
Sitzung zusammen. Die Sitzungen sind regelmäßig 
öffentlich. 
Auf Antrag des Präsidenten oder auf Antrag von zehn 
Mitgliedern kann jede Kammer zu einer geheimen Sitzung 
zusammentreten, in welcher dann zunächst über diesen Antrag 
zu beschließen ist (Art. 79). 
2. Die Berufung, Eröffnung, Vertagung 
und Schließung (S. 555) der beiden Kammern erfolgt 
durch den König (Art. 77); die Vertagung darf ohne 
Zustimmung der Kammer die Frist von 30 Tagen nicht 
übersteigen und während derselben Session nicht wieder- 
holt werden (Art. 52). Eine Auflösung kann heute 
nur noch beim Abgeordnetenhause stattfinden (S. 569); 
es müssen dann innerhalb von 60 Tagen seit der Auf- 
lösung die Wähler, innerhalb 90 Tagen die Kammern 
versammelt werden (Art. 51). 
In beiden Häusern wird nach absoluter Mehrheit 
der Anwesenden abgestimmt (Art. 80), auch bei Ver- 
fassungsänderungenz; nur müssen bei diesen zwei 
Abstimmungen vorgenommen werden, zwischen denen we- 
nigstens 21 Tage liegen (Art. 107). 
3. Auch für das Abgeordnetenhaus ist, wie für den 
Reichstag, die ursprünglich dreijährige „Legislatur- 
periode“ (PrVuU. Art. 73) auf fünf Jahre festgesetzt 
(PrG. vom 27. Mai 1888); die Streitfrage des Beginns 
der Legislaturperiode (S. 251) besteht auch im preußischen 
Recht. Ebenso erfolgt die Etatsfeststellung wie im 
Reich alljährlich im voraus (Art. 99, oben S. 450). 
4. Jede Kammer prüft die Legitimation ihrer 
Mitglieder und entscheidet darüber. Sie regelt ihren 
Geschäftsgang und ihre Disziplin durch eine Geschäfts- 
ordnung (Art. 78 1). Diejenige des Herrenhauses da- 
tiert vom 15. Juni 1892 (9. April 1908), die des Ab- 
geordnetenhauses vom 16. Mai 1876. 
Letztere stimmt im wesentlichen, vielfach sogar wörtlich, 
mit der Geschäftsordnung des Reichstags überein; bemerkens- 
werte Abweichungen sind, daß die Geschäftsordnungen des Land- 
tags die Einrichtung der „kurzen Anfragen“ und des Vertrauens- 
oder Mißtrauensvotums aus Anlaß von Interpellationen (S. 254) 
nicht kennen. Verschieden ist auch die Behandlung der Aus-
	        
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