Full text: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

590 § 76. Die Verwaltung. Einleitung. 
sein mit der Wirkung, daß das Dienstverhältnis dieserhalb auf- 
gehoben wird; für die Feststellung dieser Willensmängel sind 
nach der Ansicht des Reichsgerichts die auf dem Gebiete des 
bürgerlichen Vertragsrechts bestehenden Bestimmungen entspre- 
chend anzuwenden (RGz. 83 429; str., vgl. Recht 14 Nr. 578). 
Auch sonst ist die Möglichkeit der Aufhebung von Verwaltungs- 
akten infolge von Willensmängeln (abgesehen insbeson- 
dere von den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte) grund- 
sätzlich anerkannt; dies gilt z. B. von der Bauerlaubnis, die die 
Polizei selbst nach Beginn der Bauausführung zurücknehmen 
kann, wenn sie einen Widerspruch des Bauprojekts mit dem 
öffentlichen Baurecht übersehen hat (O#G. 40 377). In vielen 
Fällen ist der Widerruf freilich ausdrücklich geregelt, so die Rück- 
nahme der in GewO. 8 29 (S. 339) bezeichneten Approbationen 
bei (auch nur objektiver) Unrichtigkeit der Nachweise, auf Grund 
deren sie erteilt sind (GewO. 8§ 53), oder der dem öffentlichen 
Wohle nachteiligen Verleihung eines Sondernutzungsrechts an 
einem Wasserlaufe, wenn die zugrundeliegenden Nachweisungen 
unrichtig sind und — anders als im vorigen Beispiele — die 
Unrichtigkeit dem Unternehmer bekannt war- (Pr Wasser G. § 851). 
Vgl. im allgemeinen noch S. 655. Als nichtig werden von 
der herrschenden Meinung, im einzelnen mit mannigfachen Ver- 
schiedenheiten, Verwaltungsakte betrachtet, die auf einen un- 
möglichen Rechtserfolg gerichtet sind (z. B. Anstellung 
eines nach StGB. § 31 zur Bekleidung öffentlicher ÄAmter 
Unfähigen), von einem absolut unzuständigen (O#. 40 
300) oder einem geschäftsun fähigen Beamten ausgehen 
oder unter Verletz ung wesentlicher Formvorschrif- 
ten erlassen sind. Obwohl der nichtige Verwaltungsakt recht- 
lich nicht vorhanden ist (vgl. L. 1 § 45 b 1 a), entspricht es doch 
dem öffentlichen Interesse, die formelle Zurücknahme oder die 
Anwendung der gegenüber gültigen Verwaltungsakten etwa ge- 
gebenen Rechtsmittel zuzulassen. 
Außerst lehrreich ist der Fall des Schreibers Thormanun, 
der unter dem Namen des Magistratsassessors Dr. Alexander 
zum zweiten Bürgermeister von Köslin sowie zum Vorsitzenden 
des Gewerbe= und Kaufmannsgerichts bestellt worden war. Wahl 
und staatliche Bestätigung müssen als wirkungslos und zwar als 
nichtig angesehen werden, da sie dem, wirklich eristierenden, 
Dr. Alexander galten, der aber natürlich sich um diese Amter 
nicht beworben hatte. Der vermeintliche Bürgermeister Alexander 
war also Privatperson geblieben. Daraus folgt bezüglich der von 
ihm gefällten Gewerbe= und Kaufmannsgerichtsurteile: Soweit 
er ohne Beisitzer erkannt hat (vgk. GGG. 8§ 54), liegen „Nicht- 
urteile“ eines Privatmanns vor, die einer Anfechtung oder 
Nichtigkeitsklage nicht bedürfen. Dagegen unterliegen rechts- 
kräftige Urteile, die er mit Zuziehung von Beisitzern 
erlassen hat, der Nichtigkeitsklage nach ZPO. 8§ 5791, GGG. 
§ 26, KGG. 8 16. Denn infolge der Mit wirkung eines nur 
scheinbar gültig gewählten Vorsitzenden, dem in Wirklichkeit nur
	        
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