§ 6. Das Wesen des Staates. 13
die verfassungsmäßig berufenen Organe und die Kon-
tinuierlichkeit der staatlichen Existenz gegenüber dem
Wechsel der Generationen und der Staatsformen. Diese
Theorie entspricht der soziologischen Auffassung des Staates
als einer Zweckorganisation (S. 40): die vom Staate ver-
folgten Gemeinschaftszwecke können auf rechtlichem Gebiete
nur durch ein Rechtssubjekt verwirklicht werden.
Gegen die Unterstellung des Staates unter den Rechts-
begriff der juristischen Person wird eingewendet, daß dieser
Rechtsbegriff erst vom Staate geschaffen sei, daß es also unlogisch
sei, ihn zur Konstruktion des Staatsbegriffes zu verwenden.
Diese Voraussetzung ist aber falsch. Der Begriff der juristischen
Verson beruht wie der der natürlichen nicht auf pofsitiver
Rechtsschaffung durch einen bestimmten Staat, sondern gehört
zu den Grundbegriffen des Rechts.
8. Wie die staatliche Rechtspersön lichkeit
selbst zu erfassen sei, ist streitig. Es kommen hierbei die-
selben Theorien in Betracht, die für die Konstruktion der
juristischen Personen überhaupt aufgestellt worden sind
(L. ISfl4a):besonders die Fiktionstheorie (Hänel,
Rehm), wonach der Staat kein wirkliches, sondern ein nur
gedachtes Rechtssubjekt ist, und dem gegenüber die auf der
organischen Staatstheorie (S. 38) beruhende Theorie
der realen Verbandspersönlichkeit (Gierke),
die den Staat als eine dem natürlichen Rechtssubjekt
völlig gleichzustellende, real vorhandene Gesamtpersön=
lichkeit auffaßt. Streitig ist ferner, welcher Art der ju-
ristischen Personen der Staat zuzurechnen sei: ob der
Körperschaften oder der Anstalten (L. I § 17).
e. Begriff des Staates.
Will man die soziologischen und die juristischen Ele-
mente des Staates in eine einheitliche Formel zusammen-
fassen, so müßte die Begriffsbestimmung nach den bis-
herigen Erklärungen lauten:
Staat ist eine juristische Person des
öffentlichen Rechts, die eine auf sich selbst
beruhende öffentlich-rechtliche Gewalt über
ein auf einem bestimmten Gebiet seßhaftes
Volk zur Erfüllung allseitiger Gemein-
zwecke ausübt.