§ 7. Die Rechtfertigung des Staates. 49
1762) und Immanuel Kant (1724—1804, „Meta-
physische Anfangsgründe der Rechtslehre", 1797).
b. Die Vertragstheorie vermischt sich vielfach mit an-
deren Theorien (z. B. in der Form, daß die Einsetzung
des Staates selbst auf Gott und nur die der Staatsgewalt
auf einen Vertrag zurückgeführt wird) und erscheint in
verschiedenartiger Ausgestaltung.
1) Die rein historische Form (Locke, Pufen-
dorf) nimmt einen wirklichen geschichtlichen Vorgang zum
Ausgangspunkt, während die spekulativ-rationale
Form (Hobbes, Rousseau, Kant) die Rechtfertigung des
Staates und der Staatsgewalt in dem fortdauernden Ein-
verständnis der Volksgenossen findet.
2) Der als geschlossen unterstellte Sozialvertrag wird
von Hobbes als einheitlicher Vertrag angesehen. Dagegen
unterscheidet die spätere naturrechtliche Wissenschaft (Pu-
fendorf): das pactum unionis (den Urvertrag, durch
den eine societas sine imperio entsteht), das pactum
constitutionis (den die Verfassung begründenden
Vertrag, durch den die Staatsform, die Staatsorganisa-
tion und die Staatsgewalt begründet wird) und das
pactum subiectionis (die vertragsmäßige Unter-
werfung der Volksgenossen unter die Staatsgewalt).
c. Die Vertragstheorie ist von den verschieden-
sten politischen Richtungen zur Begründung
ihrer Bestrebungen benutzt worden.
1) Hobbes benutzt sie (im Interesse der Stuarts
in ihrem Kampf mit dem Parlament) zur Begründung
der absoluten Monarchie: die durch den Sozial-
vertrag erfolgte Unterwerfung der Volksgenossen sei ge-
schehen, damit jeder zu seinem Rechte käme. Dieser Zweck
könne nur erreicht werden, wenn dem Herrscher eine un-
umschränkte Macht zur Seite stünde, die hinreiche, die
zhefssialen, egoistischen Triebe der einzelnen niederzu-
alten.
2) Rousseau verwendet umgekehrt die Vertrags-
theorie zur Verfechtung der Volkssouveränität (er
ist damit der geistige Urheber der französischen Revo-
lution geworden, (S. 99): „L'homme est ué libre.“ Diese
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